Inventarbuch
NS-Raubgut

Ankauf nach Restitution

Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) erwirbt eine Arbeit aus der Sammlung Max Liebermanns

Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt hat die Zeichnung „Bauarbeiten“ von Adolph von Menzel aus der ehemaligen privaten Kunstsammlung Max Liebermanns restituiert. Anschließend   hat die Stiftung im Zuge der Suche einer gerechten und fairen Lösung die Arbeit  erworben. Vorausgegangen waren umfangreiche Provenienzrecherchen und die Empfehlung der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz.

2020 hatte das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) den Vorschlag der Erben nach Max und Martha Liebermann erhalten, für die 1875 entstandene Zeichnung „Bauarbeiter“ (auch Maurer beim Bau) von Adolph von Menzel (1815–1905) eine gerechte und faire Lösung nach den Prinzipien der Washingtoner Erklärung von 1998 zu finden.

Bereits seit 2009 wurden durch externe Provenienzforscherinnen und durch Mitarbeiter des Museums umfangreiche Forschungen zur Herkunft der Zeichnung durchgeführt. Das Blatt war im März 1936 von der Hamburger Galerie Commeter für das hallesche Kunstmuseum erworben worden. Darüber hinaus konnte ermittelt werden, dass die Zeichnung von 1916 bis 1932 nachweislich im Besitz Max Liebermanns (1847–1935) war. Der bislang letzte Beleg ist ein Foto aus dem Jahr 1932, das den 85-jährigen Max Liebermann auf einem Sofa sitzend im Salon seiner Villa am Wannsee zeigt. An der Wand hinter ihm befindet sich, neben weiteren Menzel-Zeichnungen, auch das Blatt „Bauarbeiter“.

Nicht aufklären ließ sich, ob die Zeichnung zwischen 1932 und Februar 1933, mithin vor Machtübernahme der Nationalsozialisten und noch zu Lebzeiten des Künstlers, von diesem selbst veräußert worden war bzw. ein nicht NS-verfolgungsbedingter Verkauf an Dritte vor dem Erlass der sog. Nürnberger Rassegesetze im September 1935 durch den Künstler oder dessen Witwe Martha (1857–1943) stattgefunden hat. Da das Archiv der Hamburger Galerie Commeter im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist, liegen keine Informationen vor, in wessen Auftrag die Galerie das Blatt 1936 an das hallesche Kunstmuseum verkauft hat.

Nach Abschluss der Recherchen und der nicht klärbaren Provenienzlücke zwischen 1932 und dem Verkauf an das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 1936 hatte das Kuratorium der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt 2021 den Stiftungsvorstand autorisiert, die  Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, anzurufen und um eine Empfehlung zur Frage der Rückgabe des Kunstwerks an die Erben nach Martha Liebermann zu bitten. Die Anrufung der Kommission geschah, da es satzungsgemäßer Auftrag der das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) treuhänderisch verwaltenden Kulturstiftung Sachsen-Anhalt ist, das Stiftungsvermögen auf Dauer zu bewahren und zu erhalten.

Die Empfehlung der Beratenden Kommission wurde am 29. Februar 2024 veröffentlicht, in der sie die Restitution des Blattes als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut an die Anspruchstellenden empfahl: Empfehlung der Beratenden Kommission NS-Raubgut in der Sache Erben nach Max und Martha Liebermann ./. Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

Im Nachgang zu dieser Empfehlung führte die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt mit den Erben Gespräche zur Findung einer gerechten und fairen Lösung, in deren Ergebnis die Menzel-Zeichnung 2024 restituiert und in diesem Zusammenhang angekauft wurde.

Der Impressionist Max Liebermann war einer der bedeutendsten deutschen Künstler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts und als Präsident der Berliner Secession und Präsident der Preußischen Akademie der Künste (1920–1932) ein einflussreicher Akteur der Kunst dieser Zeit.

Bereits vor 1933 geriet der Maler als jüdischer Bürger zur Zielscheibe nationalsozialistischer und völkischer Kreise und legte nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten seine Ehrenpräsidentschaft der Preußischen Akademie der Künste ab. Bis zu seinem Tod am 8. Februar 1935 lebte er zurückgezogen mit seiner Frau Martha. Der systematischen Ausgrenzung und dem Terror der Nationalsozialisten gegenüber Jüdinnen und Juden konnte Martha Liebermann sich, anders als die gemeinsame Tochter und die Enkelin, nicht mehr durch Flucht entziehen. Martha Liebermann starb im Jüdischen Krankenhaus in Berlin im März 1943, nachdem sie sich der Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt durch Freitod entzog.