aufgeschlagene Buch mit handschriftlichen Hinweisen auf den Besitzer
NS-Raubgut

Stadtbibliothek Hannover restituiert Buch von Meinhardt Lemke

Voltaires Biographie über den Schwedenkönig Karl XII. befindet sich nun bei Lemkes Nachkommen in New York.

Im Juli 2025 hat die Stadtbibliothek Hannover ein wertvolles Buch aus dem Eigentum von Meinhardt Lemke an dessen Erben zurückgegeben. Das Werk „Voltaire: Geschichte Karls XII. Königs von Schweden“ (Zwickau: Schumann 1821) hat inzwischen sein neues Zuhause in New York gefunden.

Meinhardt Lemke wurde am 1904 als Sohn des Kaufmanns und Kantors der jüdischen Gemeinde, Leopold Lemke, und dessen Ehefrau Clara, geb. Held, in Fordon geboren. Er wuchs in Tilsit und Königsberg in Ostpreußen auf. In Breslau und Berlin studierte er Deutsche Literatur, Philosophie und Kunstgeschichte. Früh wurde er schriftstellerisch tätig und veröffentlichte Gedichte und Erzählungen in Zeitungen und im Rundfunk. Ab 1932 arbeitete er als Hilfsbibliothekar an der Universitätsbibliothek Breslau, später war er im Archiv der Universität tätig. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er als Jude verfolgt und 1933 mutmaßlich aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Dienst entlassen.

Er fand eine neue Anstellung an der Bibliothek der Synagogen-Gemeinde zu Breslau. Zugleich begann Meinhardt Lemke ein Studium der Jüdischen Geschichte und Judaistik am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurden zahlreiche Lehrer:innen und Student:innen des Seminars in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, darunter auch Meinhardt Lemke. Er erkrankte dort an einer offenen Lungentuberkulose. Nach fünfwöchiger Haft wurde er unter der Auflage entlassen, das Deutsche Reich zu verlassen.

Meinhardt Lemke gelang 1939 die Flucht nach Bolivien. Er lebte in La Paz und arbeitete unter anderem als Lehrer an der Jüdischen Schule Boliviens. Daneben engagierte er sich in der Jüdischen Gemeinde und in den Zusammenschlüssen der nach Bolivien geflohenen Deutschen. Um den Jahreswechsel 1944/1945 verließ Meinhardt Lemke Bolivien in Richtung der USA, wohin seine Mutter und seine Schwestern geflohen waren. Er lebte fortan in New York, wo er als Maschinist und Bürogehilfe tätig war. Zugleich veröffentlichte er weiterhin Gedichte in deutschsprachigen Zeitungen. Meinhardt Lemke starb am 1962 an den Folgen seiner Lungenkrankheit in New York.

Die Stadtbibliothek hatte Meinhardt Lemkes Buch 1944 von dem Bonner Antiquariat Ludwig Röhrscheid gekauft. Mutmaßlich war es im Zuge von Lemkes Verhaftung 1938 beschlagnahmt und zusammen mit anderen Buchbeständen aus Breslau in das Reichssicherheitshauptamt nach Berlin gebracht worden. Von dort gelangte es wahrscheinlich auf den antiquarischen Markt.

Die Stadtbibliothek Hannover sucht seit 2017 im Rahmen der Provenienzforschung in ihren Beständen nach NS-Raubgut. Zentrales Ziel der vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Arbeit ist es, die in der Zeit des Nationalsozialismus geraubten Bücher an ihre rechtmäßigen Eigentümer:innen zurückzugeben.

Zu den Provenienzforschungprojekten der Stadtbibliothek Hannover:

Meinhardt Lemkes restituiertes Buch in der Provenienzdatenbank Looted Cultural Assets: Voltaire: Geschichte Karls XII. Königs von Schweden. Zwickau: Schumann 1821.

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Meinhardt Lemke, 1955