sechs Personen stellen Kartons mit menschlichen Überresten auf einen Tisch
Koloniale Kontexte

Sterbliche Überreste kehren nach Hause zurück

Universitäten Göttingen und Freiburg übergeben Gebeine von acht Individuen an die Republik Marshallinseln.

Die Universitäten Göttingen und Freiburg haben am 7. Oktober 2025 in Göttingen die Gebeine von acht Individuen an eine Delegation der Republik Marshallinseln zurückgegeben.

Vier der  Verstorbenen stammen aus Enewetak, einem Atoll, das aus etwa 40 Inseln mit einer Gesamtlandfläche von knapp sechs Quadratkilometern besteht. Paul Merz, Stationsleiter der Marshallinseln, verkaufte ihre Schädel 1913 an das damalige Museum für Völkerkunde in Hamburg. Wie er sie an sich nahm, lässt sich nicht genau rekonstruieren.

Ab 1911 versuchte die deutsche Kolonialverwaltung, die Marshallinseln enger in das System der wirtschaftlichen Ausbeutung einzubinden. Dazu wurden unter der Leitung des Stationsleiters Merz die nutzbaren Landflächen verschiedener Inseln und Atolle, darunter auch Enewetak, im Jahr 1912 vermessen. Wahrscheinlich nahm Merz die Gebeine bei diesem Besuch an sich.

In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde die anthropologische Sammlung des Museums für Völkerkunde in Hamburg, heute Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK), an die Universität Göttingen abgegeben. Darunter waren auch die sterblichen Überreste  der vier Individuen aus dem Enewetak-Atoll, das heute zur Republik Marshallinseln gehört.

Die Gebeine von vier weiteren Individuen von den Marshallinseln befanden sich in der Anatomisch-anthropologischen Sammlung (sogenannte Alexander-Ecker-Sammlung) der Universität Freiburg, Sie stammen vom Jaluit-Atoll (Marshallinseln) und gelangten über Netzwerke wie das Museum Godeffroy, private Händler oder Privatsammler nach Deutschland, die sie der Universität Freiburg verkauften oder stifteten.

„Dies ist das erste Mal, dass wir Vorfahren, die wir verloren hatten, wieder nach Hause zurückbringen“, sagte Doreen deBrum, Botschafterin der Marshallinseln beim Büro der Vereinten Nationen in Genf. „Es ist für uns ein wichtiger Moment. Es geht darum, die Würde unserer Vorfahren wiederherzustellen, sie wieder mit ihrem Heimatland zu verbinden. Und indem wir sie nach Hause holen, ehren wir sowohl ihr Andenken als auch unsere gegenwärtige Gemeinschaft. So können wir mit Würde und Menschlichkeit in die Zukunft schauen.“

Die Sammlungen der Universität Göttingen werden aktuell in einem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekt auf Provenienzen aus kolonialen Kontexten untersucht. Auch der Senat der Universität Göttingen hatte in den vergangenen Jahren die Verantwortung der Universität für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte und für produktive, zukunftsgerichtete Kontakte mit postkolonialen Gesellschaften unterstrichen und bereits Rückgaben an Hawaii, Neuseeland und Palau realisiert.

Die Universität Freiburg betrachtet es ebenfalls als Teil ihrer historischen und ethischen Verantwortung, die Geschichte der anatomisch-anthropologischen Sammlung (sogenannte Alexander-Ecker-Sammlung) sowie den Umgang mit sterblichen Überresten aus kolonialen Kontexten weiterhin kritisch aufzuarbeiten und menschliche Gebeine an ihre Herkunftsgemeinschaften zurückzuführen. In den vergangenen Jahren erfolgten in enger Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg Repatriierungen an Herkunftsgemeinschaften nach Namibia, Australien und Hawaii.

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Universitätspräsident Axel Schölmerich und die Direktorin des Marshall Islands Cultural and Historic Preservation Office Bethany Barker bei der Vertragsunterzeichnung.