Ringen um die Kunst

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste widmet seine Frühjahrstagung „1945 - The struggle over art. Cultural property between loss, relocation and restitution“ dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren.

Als der Zweite Weltkrieg 1945 endete, waren Millionen Tote zu beklagen, ermordet in deutschen Vernichtungslagern, gestorben auf den Schlachtfeldern und im Bombenhagel. Zerstört, geraubt, verschleppt und verlagert wurden dabei auch zahllose Kunstwerke und Kulturgüter – die Suche nach ihnen, der Streit um sie dauert zum Teil bis heute an.

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste befasst sich kurz vor dem 80. Jahrestag des Kriegsendes auf seiner Frühjahrskonferenz mit kulturellen Verlusten der von Deutschland verschuldeten Katastrophe. Die englischsprachige Tagung „1945 - The struggle over art. Cultural property between loss, relocation and restitution“ am 31. März und 1. April 2025 in der Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Unter den Linden, nimmt dabei bewusst keine deutsche, sondern eine gesamteuropäische Perspektive ein.

Gilbert Lupfer, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste: „Wir wollen keine Nabelschau betreiben und nur danach fragen, was ‘uns’ im Krieg weggenommen oder zerstört wurde. Vielmehr soll der Blick über Grenzen hinaus auf die vielfachen Verlagerungen von Kulturgütern gerichtet werden, die alle ihre Ursache in dem von Deutschland begonnenen Krieg hatten.” Das Jahr 1945 markiere außerdem den ‘Kipp-Punkt’ beim Raub an der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten: „Während in den ersten Monaten des Jahres die Ausplünderung immer noch weiter ging, setzten gleich nach Kriegsende in den Westzonen die ersten Rückgaben über die Collecting Points ein – dieser Prozess ist allerdings bis heute immer noch nicht abgeschlossen”, so Gilbert Lupfer. Er betont auch: „Leider gehören Zerstörung und Raub von Kulturgütern nicht einer fernen Vergangenheit an. Wie aktuell dieses Thema heute wieder ist, zeigt sich in dramatischer Weise in der mit Krieg überzogenen Ukraine.”

Wissenschaftler:innen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Israel, Polen, Tschechien, der Ukraine und Ungarn folgen den verschlungenen Wegen verschleppter Besitztümer und geplünderter Museumsbestände über Grenzen hinweg. Sie zeigen beispielsweise, wie schwierig es für Jüdinnen und Juden war, ihr Eigentum nach dem Krieg zurückzufordern und dokumentieren, dass bei aller Mühe vieles ungelöst ist: Noch heute etwa beherbergt das Israel Museum in Jerusalem, wie viele andere Museen auch, Kunstwerke aus einst beschlagnahmtem jüdischen Besitz, weil ihre Herkunft nicht geklärt werden konnte oder es keine Nachfahr:innen der ermordeten Eigentümer:innen gibt.

Doch Kunst- und Kulturgut hat nicht nur einen hohen persönlichen Wert, sondern auch immense politische Symbolkraft. Das erweist sich am Beispiel Frankreichs, wo die Rückkehr ausgelagerter Kunstwerke in die Museen nach dem Krieg als nationaler Sieg gefeiert wurde.

Auch die Sowjetunion beanspruchte Kunstwerke aus ostdeutschen Museen nicht nur als Reparation für Zerstörung und Raub durch die Deutschen im eigenen Land, sondern wollte damit ebenso ihren Status als Siegermacht untermauern.
Bis heute offene Fragen und Probleme der Rückführung von Kulturgütern sind Thema der Podiumsdiskussion am Ende der Konferenz.

Detaillierte Infos sowie das vollständige Programm der Tagung finden Sie unter: https://kulturgutverluste.de/conference2025

Livestream und Aufzeichnung: Die Tagung findet in Präsenz statt, Sie können sie aber auch live auf dem YouTube-Kanal des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste verfolgen.

Der Link zum ersten Konferenztag am 31.3.2025: https://youtube.com/live/qfIf0NHEIPI

Der Link zum zweiten Tag am 1. April 2025: https://youtube.com/live/UcMj9NUPeTQ

Im Nachgang wird eine Aufzeichnung auf https://kulturgutverluste.de zur Verfügung stehen.

Publikation: Das Zentrum hat die aktuelle Ausgabe seines Periodikums „Provenienz & Forschung“ dem Thema „1945“ gewidmet. Der Band kann beim Sandstein Verlag Dresden bestellt werden und steht kostenfrei unter https://doi.org/10.25360/01-2024-00010 zum Download bereit.

Die Stiftung: Das von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zum 1.1.2015 gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg ist in Deutschland zentraler Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßig entzogenen Kulturguts. Das Zentrum wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien institutionell gefördert und erhält von dort auch die Mittel für seine Projektförderung. Das Hauptaugenmerk des Zentrums gilt dem im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz. Daneben zählen Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter sowie Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR zu den Handlungsfeldern des Zentrums.

Weitere Informationen zu den Fördermöglichkeiten unter: https://kulturgutverluste.de