Das Lüderitz-Museum des Ludwig Roselius. Kritische Überprüfung eines NS-Bestandes im Übersee-Museum Bremen

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Übersee-Museum Bremen
Bundesland:
Bremen
Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Das Übersee-Museum übernahm im Jahre 1955 den Bestand „Lüderitz-Museum“. Diese auf knapp 1000 Nummern an Naturalien und Artefakten aus Afrika geschätzte Sammlung wurde ihm von der „Böttcherstraße GmbH“, Verwaltungsgesellschaft des als Gesamtkunstwerk verstandenen Bremer Straßenzuges Böttcherstraße, gestiftet. Dessen Begründer ist der durch Kaffee HAG bekannt gewordene Unternehmer Ludwig Roselius (1874-1943). Er rief in der Hansestadt, unter anderem angeregt vom Bremer Senat, auch das Museum ins Leben, das den Bremer „Kolonialpionier“ Adolf Lüderitz (1834-1886) ehrte. In der an die Böttcherstraße grenzenden Martinistraße gelegen und 1940 eröffnet, wurde die Einrichtung im Krieg zerstört. Sie stellte Tiere, Ethnografika, Dokumente sowie Gemälde aus. Der Bestand war in den 1930/40-iger Jahren durch Ankäufe bei Händlern und Privatpersonen gebildet worden. Die von Roselius ebenfalls geschaffenen Museen Böttcherstraße haben in der Vergangenheit mehrere Restitutionen durchgeführt. Der Kaufmann erwarb Kunst und kulturhistorische Objekte auf Auktionen, war aber auch selbst im Kunsthandel tätig und hatte – zwar teilweise schwierige – Verbindungen in politische Kreise. In der Person Ludwig Roselius und der Zeit der Bestandsbildung lag die Begründung für die Notwendigkeit einer Überprüfung der Provenienzen.

Die Geschichte des Lüderitz-Museums ist bereits in der NS-Zeit mit der des Übersee-Museums verknüpft. Bremer Kolonialrevisionisten schwebte damals „Bremen. [als] Stadt der Kolonien“ und in diesem Zusammenhang unter anderem auch ein Kolonialmuseum vor. Sammlungen, die als Grundstock für das Lüderitz-Museum vorgesehen waren, sollten zunächst in das Übersee-Museum integriert werden. Finanzielle Schwierigkeiten führten schließlich dazu, dass die Neugründung dem Privatmann Roselius überlassen und das bestehende Museum im Jahre 1935, mit erhöhtem Budget ausgestattet, in „Deutsches Kolonial- und Übersee-Museum“ umbenannt wurde.

Die Recherchen hinsichtlich der Provenienzen der vom Übersee-Museum aus dem Lüderitz-Museum übernommenen Objekte ergaben ein sehr heterogenes Bild von Einlieferern: Roselius beschaffte Objekte persönlich als er auf Reisen im Ausland war – aus dem französischen und niederländischen Kunsthandel (Kunst der „Primitiven“) in der Besatzungszeit und von einer Safari in Ostafrika. Er und/oder seine Mitarbeiter kauften bei professionellen deutschen Naturalien- und Ethnografikahändlern. Verwandte und Mitarbeiter vermittelten Objekte von Privatpersonen bzw. veräußerten selbst Gegenstände. Die eigene Kunsthandelsfirma überließ Stücke. Die Geschichte des kolonialrevisionistischen Projekts konnte über weite Strecken erhellt werden. Hinsichtlich der Provenienzen ist eine Erweiterung der Quellenbasis, wie sie demnächst mit dem Zugang zum Firmenarchiv der Kaffee HAG gegeben ist, notwendig. Es konnte kein NS-verfolgungsbedingter Entzug nachgewiesen werden, dennoch gibt es Fälle, in denen er nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Auch sind Hinweise auf einen kolonialen Unrechtskontext bei Objekten gegeben.

Das Lüderitz-Museum sowie Provenienzforschung am Übersee-Museum gehören zu den Themen, die in der neuen Dauerausstellung des Hauses mit dem Titel „Spurensuche. Geschichte eines Museums“ präsentiert werden. Ebenso sind die Themenkreise in der dazugehörigen Begleitpublikation vertreten. Darüber hinaus wird es einen Abschlussvortrag der Projektbearbeiterin geben, auch ist ein Aufsatz zur Veröffentlichung vorbereitet sowie ein weiterer geplant.

(c) Übersee-Museum Bremen