Kalkgrube

Kriegsverluste: Grundlagen & Übersicht

Hier finden Sie historische Hintergründe zu Kriegsverlusten am Ende des Zweiten Weltkriegs und danach. Zudem thematisieren wir Fragen der Dokumentation und Rückführungen von Kriegsverlusten und stellen Initiativen der Vernetzung vor.

Historischer Hintergrund

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden Millionen von Kulturgütern zerstört, geraubt, verbracht und verlagert. So gehen etwa die Verluste in Polen oder in der Ukraine und weiteren ehemals sowjetischen Gebieten zurück auf Zerstörungen von Kulturgütern und Baudenkmälern, aber auch auf den gezielten NS-Raub. Deutsche Sondereinsatzgruppen wie der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg wurden zum Kulturgutraub in West- und Osteuropa eingesetzt. Daneben bereicherten sich Angehörige der deutschen Truppenverbände oder Zivilisten persönlich an den Kulturschätzen in den besetzten und umkämpften Gebieten.

Zum Kriegsende und danach kam es dann in Deutschland zu Plünderungen und Verlagerungen von Kulturgut durch die alliierten Streitkräfte. Insbesondere die sowjetischen Trophäenbrigaden sollten die Zerstörungen und Verluste in der Heimat durch „Beute“ im besetzten Deutschland ausgleichen. Aber auch Diebstähle einzelner Militärangehöriger oder Zivilisten sowie die Verschiebung von Grenzen (etwa in Schlesien) führten dazu, dass ausgelagerte Kulturgüter nicht mehr an ihren ursprünglichen Ort zurückkehrten oder sich – ohne Verlagerung – plötzlich auf neuem Terrain befanden. In der Nachkriegszeit kam es zu umfangreichen Rückführungen, noch immer zählen allerdings zahlreiche Werke aus öffentlichen wie privaten Sammlungen zu den Kriegsverlusten.

Um die kriegsbedingten Kulturgutverluste der deutschen öffentlichen Einrichtungen (Museen, Bibliotheken, Archive) zu dokumentieren und eine Grundlage für deren Rückführung zu schaffen, gründeten zehn deutsche Länder 1994 in Bremen die „Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern“. Seit 1998 beteiligten sich alle 16 Länder und ab 2001 auch der Bund an der Koordinierungsstelle, die 1998 ihren Sitz in Magdeburg erhielt und 2015 im Deutschen Zentrum Kulturgutverluste aufging.

Wichtige Ereignisse

Dokumentation von Kriegsverlusten

Noch bevor der Zweite Weltkrieg ein Ende fand, wurden Dokumentationen von gefährdeten Sammlungen in Form von Fotografien und Karteikarten angelegt und erste Verlustlisten veröffentlicht. Der polnischen Exilregierung in London wurde bereits 1944 vom Krakauer Kunsthistoriker Karol Estreicher eine fast 500 Seiten umfassende Publikation der Kulturgutverluste in Polen während der deutschen Besatzung vorgelegt.

Seit den 1990er Jahren nahm die Zahl dieser sogenannten Verlustkataloge wieder zu, und seit 2000 gibt es mit der Lost Art-Datenbank ein Instrument zur Sichtbarmachung von geraubten und verlagerten Kulturgütern. Die 2020 online geschaltete Forschungsdatenbank Proveana bietet eine Zusammenstellung von Katalogen, die von deutschen, aber auch polnischen oder russischen Institutionen herausgaben wurden, um ihre Verluste infolge des Zweiten Weltkrieges zu veröffentlichen.

Rückführungen

Aus­gangs­punkt für die Rück­füh­run­gen kriegs­be­dingt ver­la­ger­ten Kul­tur­guts bil­det das Völ­ker­recht und hier spe­zi­ell die Haa­ger Land­kriegs­ord­nung von 1907. Seit­dem wur­den zahl­rei­che zwi­schen­staat­li­che Ab­kom­men ge­schlos­sen, die sich zu Rück­füh­run­gen kriegs­be­dingt ver­la­ger­ten Kul­tur­gu­tes be­ken­nen. Diese Abkommen hatten unter anderem zur Folge, dass sich seit den 1990er Jahren Regierungskommissionen gründeten, die in bilateralen Verhandlungsrunden Rückgabefragen diskutieren. Zu nennen sind hier etwa die deutsch-ukrainische oder die deutsch-russische Rückführungskommission. 

Beim Auftauchen von kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern beispielsweise im Kunsthandel oder beim Angebot, solche Objekte wieder zu erwerben, ergeben sich für die Eigentümereinrichtungen oftmals Fragen zum schnellen und angemessenen Vorgehen. Die Checkliste "Auftauchen von Kriegsverlusten (Beutekunst)" dient – unabhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls – als erste Orientierung und rechtlich unverbindliche Empfehlung für die Betroffenen.

Fachliche Vernetzung

Der Austausch wurde maßgeblich durch fachliche, auch international ausgerichtete Initiativen vorangebracht. Im November 2005 gründeten mehr als 80 Museen, die von Kriegsverlusten betroffen sind, auf Initiative der Kulturstiftung der Länder und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin den Deutsch-Russischen Museumsdialog. Ziel war seitdem die gemeinsame Erforschung der kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter in Deutschland und Russland. Im Projekt „Kriegsverluste deutscher Museen“ werteten die Wissenschaftler:innen Transportlisten von Kulturgütern aus, auf deren Grundlage sie die Biografien jener Objekte rekonstruieren, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus deutschen Museen in die Sowjetunion verbracht worden sind.

Mit dem Schwerpunkt auf kriegsbedingt verlagerte Büchersammlungen wurde im September 2009 in Moskau auf Initiative der Kulturstiftung der Länder, der Allrussischen Staatlichen M.-I.-Rudomino-Bibliothek und der Staatsbibliothek zu Berlin der Deutsch-Russische Bibliotheksdialog initiiert. Die Forschungsinitiative setzte sich zum Ziel, die in russischen Bibliotheken vorhandenen Bestände zu katalogisieren, öffentlich zugänglich zu machen und getrennte Sammlungen durch Digitalisierungsprojekte virtuell zu vereinen.

Beide Initiativen haben die Forschung und fachliche Vernetzung im Bereich der Kriegsverluste entscheidend vorangebracht. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 wurden diese Aktivitäten auf Eis gelegt.

Ansprechpartner:innen im Fachbereich ­„Kul­tur­gut­ver­lus­te im 20. Jahr­hun­dert in Eu­ro­pa“

Dr. Uwe Hartmann
Lei­tung
Tel:  +49 (0) 391 727 763 14
E-Mail: uwe.hart­mann@kul­tur­gut­ver­lus­te.de

Fine Kugler
Re­fe­ren­tin Kriegs­be­dingt ver­la­ger­tes Kul­tur­gut
Tel:  +49 (0) 391 727 763 36
E-Mail:  fine.kugler@kul­tur­gut­ver­lus­te.de

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