Recht
1. Lost Art-Datenbank
Die Lost Art-Datenbank ging am 10.04.2000 online. Im Zusammenhang mit dem Betrieb von Lost Art ergeben sich auch Rechtsfragen etwa hinsichtlich der Erfüllung von Sorgfaltspflichten für Dritte beim Handel von Kulturgütern, sachrechtlicher Aspekte oder Rückgabezusagen (siehe zu den einzelnen Punkten ausf. Michael Franz: Lost Art und Recht, in: KUR 2020, S. 148ff).
Auch die Frage der möglichen Löschung von Suchmeldungen aus Lost Art tauchte immer wieder auf. Im Hinblick auf den Umgang mit solchen Löschungsbegehren ist insbesondere auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2015 (Az.: BVerwG 1 C 13.14) in der Sache „van Diemen“ hinzuweisen. Mit dieser Entscheidung betonte das Bundesverwaltungsgericht zum einen, dass „angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Veröffentlichung von Informationen zu Kulturgütern“ besteht, bei denen ein Raubkunstverdacht gegeben ist, „um auf diesem Weg interessierte Bürger zu einer eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Bewältigung der bis heute fortdauernden rechtswidrigen Folgen des NS-Regimes zu befähigen.“. Zum anderen stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass über die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen in Lost Art Vorkriegseigentümer:innen bzw. deren Erb:innen und heutige Besitzer:innen zusammengeführt und beim Finden einer fairen und gerechten Lösung unterstützt werden sollen. Eine Suchmeldung kann daher auch dann in Lost Art verbleiben, wenn die Parteien bekannt sind, aber zwischen ihnen noch keine faire und gerechte Lösung erzielt wurde.
Ein weiteres Verfahren (Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 25.11.2020, Az.: 7 A 1133/17 MD, in: KUR 2022, S. 68ff), bei dem ein deutsches Auktionshaus gegen das Zentrum auf Löschung eines Sucheintrags geklagt hatte, drehte sich auch um die Frage, ob sich durch das nach der „van-Diemen“-Entscheidung in Kraft getretene Kulturgutschutzgesetz etwas an der Praxis des Zentrums beim Betrieb von Lost Art geändert habe. Das Verwaltungsgericht Magdeburg verneinte dies (siehe zu der Entscheidung etwa Sebastian Hohmann / Michael Franz: Kunsthandel und Lost Art, in: KUR 2022, S. 86ff) und hielt damit an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Form der „van Diemen“-Entscheidung fest.
2. NS-Raubgut
Mit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes 1945 entfielen auch entsprechende verfolgungsbedingte Entziehungen. Daher sind, juristisch betrachtet, aufgrund der Verjährungsfrist von maximal 30 Jahren Rechtsansprüche auf Herausgabe von NS-Raubgut seit spätestens 1975 grundsätzlich verjährt. Diese Ansprüche sind damit – auch ungeachtet eventuellen Eigentums des Anspruchstellers – juristisch nicht mehr durchsetzbar. Seltene Ausnahmen bilden Fälle wie die Auseinandersetzung um die Plakatsammlung Sachs (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2012 – Az.: V ZR 279/10).
Da man hinsichtlich Rückgabeansprüchen somit auf der rechtlichen Ebene nicht weiterkommt, versucht man, entsprechende Konflikte auf der ethischen Ebene zu lösen. Hier kommen dann die internationalen Washingtoner Prinzipien von 1998 und die deutsche Gemeinsame Erklärung von 1999 zur Anwendung. Deren Ziel ist das Finden einer gerechten und fairen Lösung bei Auseinandersetzungen um NS-Raubgut.
3. Kriegsverluste
Im Hinblick auf die Rückführung bzw. Rückgabe kriegsbedingt verbrachten Kulturguts ist zwischen Völkerrecht und Zivilrecht zu differenzieren: Das Völkerrecht regelt das Verhältnis zwischen Staaten. Mit der Haager Landkriegsordnung von 1907 (HLKO) verbietet es etwa die Plünderung (Art. 47 HLKO) und die Beschlagnahme, Zerstörung oder Beschädigung von Werken der Kunst (Art. 56 HLKO). Seitdem wurden mehrere zwischenstaatliche Abkommen zu Rückführungen kriegsbedingt verlagerten Kulturgutes geschlossen, deren Umsetzung den vertragsschließenden Staaten obliegt.
Zivilrechtlich – also im Hinblick auf Privatpersonen – betrachtet, werden, ähnlich wie bei NS-Raubgut, Herausgabeansprüche auch ungeachtet eventuell bestehenden Eigentums des Anspruchstellers heute regelmäßig verjährt sein.
4. Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR
Das Thema „Kulturgutentziehungen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)“ ist tatsächlich sehr komplex, da es zahlreiche unterschiedliche historische Sachverhalte bzw. verschiedene Fallgruppen umfasst.
Hierzu gehören – im Hinblick auf die Kulturgutentziehungen in der SBZ – etwa die „Schlossbergungen“ im Rahmen der Bodenreform 1945 bis 1948 und – hinsichtlich Entziehungen von Kulturgut während der DDR – unlautere Aktivitäten damaliger staatlicher Organe (z. B. Konfiskationen durch Zoll und Volkspolizei, „Aktion Licht“), Eigentumsentziehungen beim Verlassen der DDR („Republikflucht“) und der Umgang mit Kunstsammlungen im Zusammenhang mit Erbangelegenheiten.
Mehrere Gesetze nach dem Ende der DDR (bspw. Vermögengesetz, Ausgleichsleistungsgesetz, Entschädigungsgesetz) dienten der Regulierung dieser rechtswidrigen Maßnahmen. Dabei sind im Hinblick auf Rückgabeansprüche die Anmeldefristen (etwa gemäß § 30a I 1 Vermögensgesetz bis zum 30.06.1993) abgelaufen. Zudem werden Herausgabeansprüche mittlerweile regelmäßig verjährt sein.
Zur besseren tatsächlichen und rechtlichen Orientierung in der Thematik dient das vom Zentrum in Auftrag gegebene und von Professor Thomas Finkenauer (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) und Professor Jan Thiessen (Humboldt-Universität zu Berlin) verfasste Rechtsgutachten „Rechtssituation und Handlungsoptionen im Hinblick auf Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR“, das im Oktober 2023 in der Schriftenreihe Provenire als Sonderband „Kunstraub für den Sozialismus. Zur rechtlichen Beurteilung von Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR“ erschienen ist. Das Gutachten differenziert insgesamt 13 tatsächliche Fallgruppen und bewertet sie rechtlich.
5. Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Bei Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und Recht ergeben sich schon bei der Rekonstruktion des konkreten tatsächlichen bzw. historischen Sachverhalts große Herausforderungen, da die entsprechenden Entzugs- bzw. Erwerbungsvorgänge in der Regel weit über hundert Jahre zurückliegen.
Im Hinblick auf Rückgabeansprüche gibt es bis heute keine spezialgesetzlichen Regelungen. Bereits bestehende völkerrechtliche Normen wie etwa die Haager Landkriegsordnung (1907), die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (1954) oder das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (1970) können schon deswegen nicht angewendet werden, da sie keine zeitliche Rückwirkung auf die Kolonialzeit haben.
Damit bleiben nur allgemeine, zivilrechtliche Herausgabeansprüche, wobei die jeweiligen Voraussetzungen (bspw. Anwendbarkeit welchen Rechts, ursprünglicher und heutiger Eigentümer, Erwerbungsumstände) nicht nur geklärt, sondern im Bestreitensfall auch bewiesen werden müssen, was, s.o., oftmals schwierig ist.
Zudem werden gerichtlich geltend gemachte Herausgabeansprüche aufgrund Verjährung regelmäßig scheitern. Daher erfolgen Rückgaben von Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten auf freiwilliger, ethischer Basis bzw. entsprechender bilateraler Vereinbarungen.