In Kürze erscheint eine Publikation zur Geschichte des Frankfurter Auktionshauses Rudolf Bangel. Die Provenienzforscherinnen Dr. Maike Brüggen und Dr. Anja Heuß – Autorin dieses Blogbeitrags – haben in einem zweijährigen Forschungsprojekt erstmals die Geschichte des Unternehmens aufgearbeitet. Grundlage dieser Forschung ist eine Sammlung von mehr als 850 Auktionskatalogen der Firma Bangel, die von der alteingesessenen Galerie J.P. Schneider in Frankfurt zur Verfügung gestellt wurden. Die Kataloge enthalten Anmerkungen zu Einlieferern, Käufern und Preisen. Es handelt sich somit um sogenannte „Handexemplare“, also die Exemplare des Auktionshauses selbst, die vor und während der Auktionen annotiert wurden. Im Verlauf der Recherchen wurden weitere 135 Handexemplare in der Bibliothek des Städel entdeckt. Ein überraschender Fund tauchte kurz vor Abschluss des Projektes auf, als Anja Heuß Kenntnis erhielt von einem Teilnachlass des Frankfurter Kunsthändlers Wilhelm Ettle. Dieser Teilnachlass, der sich mittlerweile im Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt befindet, enthält weitere 14 annotierte Handexemplare.
Diese wertvollen Kataloge sind manchen Provenienzforscher:innen vielleicht schon bekannt, da der Inhaber der Galerie J.P. Schneider jr., Dr. Christoph Andreas, seit Jahren bereitwillig Auskunft zu einzelnen Provenienzen anhand dieser Quellen erteilt. Das Forschungsprojekt hat diese Kataloge erstmals nicht nach einzelnen Objekten durchsucht, sondern aus dem Gesamtbestand mehrere Themenkomplexe entwickelt, so dass ein Profil der Kunsthandlung erstellt werden konnte. Da die Firma Rudolf Bangel bereits 1929 aufgrund der Weltwirtschaftskrise schließen musste, stand sie bisher nicht im Fokus der NS-Provenienzforschung; sie ist jedoch von hohem Interesse sowohl für die Provenienzforschung zum NS-Kulturgutraub als auch für die Forschung zu kolonialen Kontexten. In den Annotationen zeichnet sich u.a. ab, welche jüdischen Sammler welche Kunstwerke erworben haben – die ihnen wenige Jahre später im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung wieder weggenommen wurden.
Die demnächst erscheinende Publikation „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten. Das Auktionshaus Rudolf Bangel in Frankfurt am Main 1873-1929“ aus der Reihe Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst (AfGK) präsentiert die Geschichte und Bedeutung des Frankfurter Auktionshauses Rudolf Bangel erstmals in diesem Umfang. Es handelt sich bereits um den dritten Band in der Reihe zum Thema Kunsthandel/Kunstsammeln in Frankfurt und der Region, der von der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte e. V. gefördert wird. Herausgeberinnen des dritten Bandes sind Franziska Kiermeier, Maike Brüggen und Anja Heuß. Als weitere Autorinnen konnten die Provenienzforscherinnen Laura Vollmers (Frankfurt/Karlsruhe), Shammua Maria Mohr (Darmstadt) und die Ethnologin Frauke Gathof (Berlin) gewonnen werden.
Bei der Firma Bangel handelte es sich um einen Familienbetrieb, in dem drei Generationen tätig waren. Die Firma hielt in der Zeit von 1873 bis 1929 mehr als 1.100 Auktionen ab, in denen ein breites Spektrum angeboten wurde: Es wurden Gemälde, Zeichnungen, Kunstgewerbe und Möbel ausgerufen. Daneben gab es jedoch Schwerpunkte des Hauses, die von den fünf Autorinnen herausgearbeitet wurden: So wurden mehrere Künstlernachlässe versteigert, wie z.B. von Adolf Schreyer (1828-1899) und Eugen Bracht (1842-1921). In den 1920er Jahren versteigerte das Auktionshaus in erheblichem Umfang Objekte aus Museumsbesitz; diese Provenienzen wurden teils angegeben, teils aber auch auf Wunsch der Museen verschleiert. Bei den Ostasiatica gehörte Bangel sogar zu den führenden Auktionshäusern im Deutschen Reich. Bemerkenswert sind auch die Angebote von Objekten aus Kolonien wie Belgisch-Kongo, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika. Besonders auffallend ist das Angebot von Waffen aus dem Kongo, die meist aus dem Besitz von ehemaligen belgischen Kolonialbeamten stammten. Die Firma Bangel war in Deutschland und in Europa gut vernetzt und hat zahlreiche Sammlungen in Frankfurt und der Region geprägt. Aus den Annotationen ergeben sich viele Belege für das Kaufverhalten und den Geschmack des Bürgertums, aber auch für den Zwischenhandel, denn überregionale Akteure wie die Kunsthandlungen Stern, Paffrath, Gurlitt, Heinemann oder Goudstikker sind ebenfalls vertreten.
Die Autorinnen Anja Heuß und Maike Brüggen haben in drei Aufsätzen die Geschichte des Auktionshauses von 1873 bis 1929 dargestellt. Maike Brüggen thematisiert vor allem die Gründung des Hauses, die Ausstellungen Ende des 19. Jahrhunderts und die Auktionen, die während des Ersten Weltkrieges zugunsten der Kriegsopfer abgehalten wurden. Anja Heuß stellt die Tätigkeit der Firma vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Konkurs 1929 dar. Neben den Verkäufen aus Museumsbesitz und der international beachteten Auktion des Nachlasses des Kronberger Malers Adolf Schreyer wird auch die Rolle des Hauses Bangel bei der Frankfurter Kunstmesse beleuchtet. Die Frankfurter Kunstmesse veranstaltete zwischen 1919 und 1921 drei Auktionen, bei der z.B. Werke aus der Sammlung Alfred Hess, Erfurt, angeboten wurden.
1929 ging das Unternehmen in Konkurs, nachdem die Inhaber wegen Unterschlagung von Erlösen zu Gefängnisstrafen verurteilt worden waren. In einem kurzen Ausblick wird auch der weitere Lebensweg der letzten Inhaber in der Zeit des Nationalsozialismus geschildert.
Nach diesem historischen Abriss folgen thematische Beiträge, die weitere Aspekte vertiefen: Shammua Maria Mohr hat eine Analyse zur Auktion des Nachlasses von Eugen Bracht geschrieben, Laura Vollmers widmet sich dem Verkauf von Ostasiatica bei Bangel und Frauke Gathof beleuchtet die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Auktionshaus Rudolf Bangel und dem Völkermuseum (heute: Weltkulturenmuseum) in Frankfurt.
Save the date – Symposium zum Auktionshaus Rudolf Bangel: Am 3. Juli 2024 wird im Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt, ein Symposium zum Auktionshaus Rudolf Bangel stattfinden. Die Herausgeberinnen haben ausgewählte Referentinnen gebeten, die in der Publikation bereits behandelten Themen zu erweitern und zu ergänzen. Anna Baumberger, ausgewiesene Expertin zur Sammlung Alfred Hess, wird die auf der Frankfurter Kunstmesse angebotenen Werke aus dieser Sammlung vorstellen. Kathrin Kleibl, bis vor kurzem Herausgeberin der LostLift Datenbank in Bremen, wird exemplarisch anhand eines Gemäldes von Gustave Courbet aufzeigen, wie mit einer Annotation aus den 1920er Jahren heute ein Restitutionsanspruch begründet werden kann. Weitere Beiträge von Maria Effinger/Heidelberger Bibliothek und Nadine Oberste-Hetbleck und Lucia Seiß/Zentrales Archiv des Deutschen und Internationalen Kunsthandels geben einen Ausblick, wie man mit diesen besonderen Quellen umgehen kann und welche Perspektiven zu ihrer Digitalisierung und Erforschung denkbar sind.
Link zur Veranstaltung: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt - Symposien und Kolloquien - „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“ Das Auktionshaus Rudolf Bangel in Frankfurt am Main (1870 –1928) (stadtgeschichte-ffm.de)
Publikation (ET Juni 2024): „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten. Das Auktionshaus Rudolf Bangel in Frankfurt am Main 1873-1929“, Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte e.V. in Verbindung mit dem Institut für Stadtgeschichte / Band 81, herausgegeben von Franziska Kiermeier, Maike Brüggen und Anja Heuß, Frankfurt am Main 2024
Das Projekt wurde gefördert von:
Gesellschaft für Frankfurter Geschichte e.V.
Kunsthandlung J. P. Schneider jr., Frankfurt am Main
Stiftung Polytechnische Gesellschaft, Frankfurt am Main
Adolf und Luisa-Haeuser Stiftung für Kunst und Kulturpflege, Hattersheim am Main
Auktionshaus Döbritz, Frankfurt am Main
Dr. Anja Heuß ist Provenienzforscherin des Freien Deutschen Hochstifts/Frankfurter Goethe-Museums.