NS-Raubgut

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste lädt zu Gesprächen mit Nachkommen jüdischer Kunstsammler:innen

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste veranstaltet im Sommer eine dreiteilige Gesprächsreihe mit Nachkommen jüdischer Kunstsammler:innen. Damit führt das Zentrum ein Format fort, das es im Rahmen des Festjahrs „#2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“ 2021 begonnen hatte.

Jü­di­sche Mä­ze­ne und Samm­ler:in­nen spiel­ten seit dem 19. Jahr­hun­dert ei­ne be­deu­ten­de Rol­le im deut­schen Kul­tur­le­ben. Mit der Macht­über­nah­me der Na­tio­nal­so­zia­lis­ten wur­den sie ver­folgt und ent­rech­tet, ihr Ei­gen­tum wur­de be­schlag­nahmt und ge­raubt. Bis heu­te sind vie­le einst be­deu­ten­de Kunst­samm­lun­gen in al­le Win­de zer­streut, die Samm­ler:in­nen oft in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten. Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te för­dert Pro­jek­te mit Nach­kom­men, die ihr ver­lo­re­nes Er­be re­kon­stru­ie­ren und da­mit ein wich­ti­ges Stück Kul­tur­gut­ge­schich­te wach­ru­fen. In drei Ge­sprä­chen be­rich­ten Al­fred Fass, Ra­fa­el Car­do­so und Jo­han­nes Na­than über die Su­che nach den ver­schol­le­nen Samm­lun­gen ih­rer Fa­mi­li­en und die Re­kon­struk­ti­on von Er­in­ne­run­gen.

11. Ju­li, 18 Uhr: Al­fred Fass im Ge­spräch mit Ya­na Sla­vo­va und Uwe Hart­mann (di­gi­tal)
Al­fred Fass ist der Ur­en­kel des Nürn­ber­ger Spiel­zeug­fa­bri­kan­ten Abra­ham Adels­ber­ger (1863-1940), der ei­ne Kunst­samm­lung mit min­des­tens 1000 Ob­jek­ten be­saß. Nach­dem sei­ne Fir­ma „Fi­scher & Co.“ En­de der 1920er Jah­re in fi­nan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten ge­riet, setz­te Adels­ber­ger Tei­le der Samm­lung als Kre­dit­si­che­rung bei Geld­ge­bern wie bei­spiels­wei­se der Dresd­ner Bank ein. Im „Abra­ham Adels­ber­ger Art Re­se­arch Pro­ject“ des Kunst­his­to­ri­schen In­sti­tuts an der FU Ber­lin, ge­för­dert vom Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te, soll nicht nur die Samm­lung re­kon­stru­iert, son­dern auch die Rol­le von Ban­ken bei der Ver­wer­tung der Ob­jek­te be­leuch­tet wer­den. Abra­ham Adels­ber­ger ließ zwar be­reits vor 1933 Kunst­wer­ke ver­stei­gern, doch den Rest der Samm­lung ver­lor die Fa­mi­lie auf­grund der Ver­fol­gung durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten. 1939 floh Abra­ham Adels­ber­ger mit sei­ner Frau Clot­hil­de nach Ams­ter­dam, wo er 1940 starb. Clot­hil­de Adels­ber­ger wur­de 1943 in das KZ Ber­gen-Bel­sen de­por­tiert und über­leb­te den Ho­lo­caust.

Al­fred Fass ist Ge­schäfts­mann und His­to­ri­ker in Is­rael.
Ya­na Sla­vo­va ist wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin im „Abra­ham Adels­ber­ger Art Re­se­arch Pro­ject“ am Kunst­his­to­ri­schen In­sti­tut der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin.
Dr. Uwe Hart­mann ist Lei­ter des Fach­be­reichs Kul­tur­gut­ver­lus­te im 20. Jahr­hun­dert in Eu­ro­pa am Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te.

Hin­weis: Das Ge­spräch fin­det in eng­li­scher Spra­che statt.
25. Ju­li, 18 Uhr: Ra­fa­el Car­do­so im Ge­spräch mit Ca­the­ri­ne Hick­ley (di­gi­tal)
Ra­fa­el Car­do­so, ge­bo­ren in Bra­si­li­en, wuss­te lan­ge nichts vom Schick­sal sei­nes Ur­groß­va­ters Hu­go Si­mon. Erst nach­dem er im Nach­lass sei­ner Groß­el­tern in São Pau­lo ei­ne Kom­mo­de vol­ler Do­ku­men­te ge­fun­den hat­te, be­gann er, die Ver­fol­gungs­ge­schich­te sei­ner deutsch-jü­di­schen Fa­mi­lie auf­zu­ar­bei­ten. Der Ban­kier, Pa­zi­fist und Po­li­ti­ker Hu­go Si­mon (1880-1950) war im Ber­lin der 1920er Jah­re ein ein­fluss­rei­cher Mann; nach der No­vem­ber­re­vo­lu­ti­on 1918 wur­de er kurz­zei­tig so­gar preu­ßi­scher Fi­nanz­mi­nis­ter für die USPD. Bes­tens ver­netzt im Kul­tur­be­trieb, war Si­mon maß­geb­lich be­tei­ligt an der Ein­rich­tung der Neu­en Ab­tei­lung an der Na­tio­nal­ga­le­rie. Er selbst be­saß ei­ne der be­deu­tends­ten Kunst­samm­lun­gen in Ber­lin mit rund 200 Wer­ken. Als Hu­go Si­mon 1933 aus Deutsch­land flie­hen muss­te, konn­te er zwar den Groß­teil der Samm­lung ins Aus­land brin­gen, muss­te aber ab 1934 suk­zes­si­ve Kunst­wer­ke ver­kau­fen und ver­lor an­de­re wäh­rend der deut­schen Be­sat­zung in Pa­ris. Am Kriegs­en­de im bra­si­lia­ni­schen Exil konn­te Hu­go Si­mon nur noch über we­ni­ge Wer­ke ver­fü­gen. Sein Ur­en­kel Ra­fa­el Car­do­so wid­met sich in ei­nem vom Zen­trum ge­för­der­ten Pro­jekt zu­sam­men mit dem Kunst­ge­schicht­li­chen Se­mi­nar der Uni­ver­si­tät Ham­burg der Re­kon­struk­ti­on der Samm­lung und der Su­che nach ih­rem Ver­bleib.

Prof. Dr. Ra­fa­el Car­do­so ist Kunst­his­to­ri­ker und Schrift­stel­ler und lebt heu­te in Ber­lin.
Ca­the­ri­ne Hick­ley schreibt als Jour­na­lis­tin u.a. für das „Art Newspa­per“ und die „New York Ti­mes“. Au­ßer­dem ist sie Chef-Ku­ra­to­rin des Be­rend Leh­mann Mu­se­ums in Hal­b­er­stadt.

Hin­weis: Das Ge­spräch fin­det in eng­li­scher Spra­che statt.
1. Sep­tem­ber, 18:30 Uhr: Jo­han­nes Na­than im Ge­spräch mit Lea Rosh (Prä­senz­ver­an­stal­tung in der Lie­ber­mann-Vil­la am Wann­see)
Jo­han­nes Na­than ist ein Nach­kom­me Hu­go Hel­bings (1863-1938), der bis 1935 zu den füh­ren­den Kunst­händ­lern und -ver­stei­ge­rern in Eu­ro­pa zähl­te und ei­ne be­deu­ten­de Kunst­samm­lung an­leg­te. Hel­bing un­ter­hielt ne­ben sei­nem Haupt­ge­schäft in Mün­chen ei­ne De­pen­dance in Frank­furt am Main und ei­ne Ge­schäfts­stel­le in Ber­lin und ar­bei­te­te eng mit dem Ber­li­ner Kunst­händ­ler Paul Cas­si­rer zu­sam­men. Sei­ne Auk­tio­nen gal­ten als ge­sell­schaft­li­che Er­eig­nis­se, für sei­ne Ver­diens­te um die Baye­ri­schen Staats­ge­mäl­des­amm­lun­gen wur­de er hoch de­ko­riert. Nach 1933 ge­riet sein Ge­schäft in Be­dräng­nis. In der Po­grom­nacht wur­de Hu­go Hel­bing in sei­ner Woh­nung über­fal­len und so schwer miss­han­delt, dass er am 30. No­vem­ber 1938 sei­nen Ver­let­zun­gen er­lag. Zwei Ta­ge spä­ter be­gann die Zwangs-Ab­wick­lung sei­ner Kunst­hand­lung, die Samm­lung wur­de sei­nen Er­ben ent­zo­gen. In ei­nem vom Zen­trum ge­för­der­ten Pro­jekt in Ko­ope­ra­ti­on mit Mei­ke Hopp, In­sti­tut für Kunst­wis­sen­schaft und His­to­ri­sche Ur­ba­nis­tik der TU Ber­lin, wird die Samm­lung ak­tu­ell so­weit wie mög­lich re­kon­stru­iert und der Ver­bleib der Kunst­wer­ke auf­ge­klärt.

Dr. Jo­han­nes Na­than ist Kunst­his­to­ri­ker und Kunst­händ­ler in Pots­dam und Zü­rich und Vor­sit­zen­der der Max-Lie­ber­mann-Ge­sell­schaft Ber­lin e.V.
Lea Rosh ist viel­fach aus­ge­zeich­ne­te Au­to­rin und Pu­bli­zis­tin.

Hin­weis: Die Ver­an­stal­tung am 1. Sep­tem­ber fin­det in Ko­ope­ra­ti­on mit der Lie­ber­mann-Vil­la am Wann­see statt. Der Abend ist be­reits aus­ge­bucht, wird aber on­line im Li­ve­stream über­tra­gen. Den Link er­hal­ten sie un­ter veranstaltungen@kulturgutverluste.de kurz vor der Ver­an­stal­tung.

Die Ver­an­stal­tun­gen am 11. und 25. Ju­li fin­den als Vi­deo­kon­fe­renz über Webex statt. Die Teil­nah­me ist kos­ten­frei, je­doch nur nach An­mel­dung bis zum Vor­tag mög­lich. Die Teil­neh­mer:in­nen er­hal­ten am Tag der Ver­an­stal­tung die Zu­gangs­da­ten. Zu den Ter­mi­nen er­hal­ten Sie je­weils se­pa­ra­te Ein­la­dun­gen. Wir bit­ten Sie herz­lich, uns mit­zu­tei­len, zu wel­chem Ge­spräch wir Sie je­weils be­grü­ßen dür­fen.

An­mel­dun­gen an:
Deut­sches Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te
Hein­rich Na­tho
Te­le­fon +49 (0) 391 727 763-23
veranstaltungen@kulturgutverluste.de

Da­ten­schutz:
Mit Ih­rer An­mel­dung und der Teil­nah­me er­tei­len Sie dem Ver­an­stal­ter die Er­laub­nis, wäh­rend der Ver­an­stal­tung Fo­to-, Ton- und Vi­deo­auf­nah­men zu ma­chen und die­se Auf­nah­men im Zu­sam­men­hang mit der Ver­an­stal­tung für die Öf­fent­lich­keits­ar­beit und die Do­ku­men­ta­ti­on, ana­log und di­gi­tal, zu ver­wen­den (nach § 22 Kunst­Ur­hG). Der Ver­an­stal­ter er­hebt, ver­ar­bei­tet und nutzt Ih­re per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten im Rah­men der Wahr­neh­mung der sat­zungs­ge­mä­ßen Auf­ga­be des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te.