Titelmotiv Schriftenreihe „Provenire“: Band 3
SBZ / DDR

Enteignet, entzogen, verkauft: Zentrum veröffentlicht wissenschaftlichen Sammelband "Provenire 3"

Manche verloren Kunstwerke, andere ihre blanke Existenz: In der DDR wurden Privatleuten ganze Sammlungen abgepresst, Kunsthändler:innen zur Geschäftsaufgabe gebracht, öffentliche Museen zur Abgabe von Kunstwerken genötigt, damit der notorisch klamme Staat diese gegen Devisen in den Westen verkaufen konnte. Das Unrecht traf Schlossherren wie Flüchtlinge – rechtsstaatlich geklärt ist das heute vielfach, aber umfassend aufgearbeitet nicht. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg hat deshalb einen Sammelband herausgegeben, der am 21. März 2022 offiziell erscheint und unter dem Titel „Enteignet, entzogen, verkauft“ den staatlich organisierten Kulturgutentzug in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR wissenschaftlich beleuchtet.

Prof. Dr. Gil­bert Lup­fer, Vor­stand des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te: „Die ver­schie­de­nen For­men und Stra­te­gi­en des staat­lich or­ga­ni­sier­ten Ent­zugs von Kunst­wer­ken und an­de­ren Kul­tur­gü­tern in der SBZ und der DDR sind im­mer noch nicht aus­rei­chend auf­ge­klärt. Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te trägt durch die För­de­rung von Pro­jek­ten zur Grund­la­gen­for­schung da­zu bei, die­se Lücke zu schlie­ßen. Der neu prä­sen­tier­te Sam­mel­band be­rich­tet von den Er­geb­nis­sen sol­cher Pro­jek­te und rei­chert sie durch wei­te­re Un­ter­su­chun­gen an. Er wird den Wis­sens­stand auf die­sem Feld er­heb­lich ver­grö­ßern.“

Fast 30 For­scher:in­nen eben­so wie Nach­kom­men von Be­trof­fe­nen un­ter­su­chen die Ge­schich­te der Kul­tur­gut­ent­zie­hun­gen von der Bo­den­re­form in der SBZ über die Ge­schäf­te staat­li­cher Au­ßen­han­dels­fir­men – rund 400 Mil­lio­nen DM er­wirt­schaf­te­te al­lein die Fir­ma Kunst und An­ti­qui­tä­ten GmbH im Auf­trag des SED-Staats seit den 1970er Jah­ren – bis hin zum Um­gang mit of­fe­nen Ver­mö­gens­fra­gen nach Wen­de und Wie­der­ver­ei­ni­gung.

Mu­se­en, Ar­chi­ve und Bi­blio­the­ken in Ost­deutsch­land ha­ben seit 1990 zwar zehn­tau­sen­de Kunst­wer­ke und an­de­re Kul­tur­gü­ter an die ur­sprüng­li­chen Ei­gen­tü­mer:in­nen zu­rück­ge­ge­ben, of­fe­ne Fra­gen aber blei­ben: Wie steht es um Rück­ga­be­an­sprü­che von Ge­schä­dig­ten, nach­dem die ge­setz­li­chen Fris­ten lan­ge ab­ge­lau­fen sind? Wel­che Ar­ten des Ent­zugs gab es? Und wie vie­le einst ent­zo­ge­nen Kunst­wer­ke be­fin­den sich heu­te auch in west­deut­schen Mu­se­en und Samm­lun­gen? In bis­her un­ter­such­ten klei­ne­ren ost­deut­schen Mu­se­en sind es, selbst nach den Rück­er­stat­tungs­ver­fah­ren der Ver­mö­gen­säm­ter, bis zu 8 Pro­zent des Be­stands, die schon auf den ers­ten Blick ei­ne pro­ble­ma­ti­sche Her­kunft er­ken­nen las­sen. Grö­ße­re In­sti­tu­tio­nen wie die Klas­sik Stif­tung Wei­mar müs­sen sich ent­schei­den, wie ei­ne Pro­ve­ni­enz­for­schung zu be­wäl­ti­gen ist, die ver­gli­chen mit der Men­ge an Er­wer­bun­gen aus der NS-Zeit für die Jah­re zwi­schen 1945 und 1990 et­wa das Neun­fa­che an Be­stands­zu­gän­gen in den Blick neh­men müss­te.

Das Buch: „Ent­eig­net, ent­zo­gen, ver­kauft. Zur Auf­ar­bei­tung der Kul­tur­gut­ver­lus­te in SBZ und DDR“, her­aus­ge­ge­ben von Ma­thi­as Dei­nert, Uwe Hart­mann und Gil­bert Lup­fer, ist als drit­ter Band der Schrif­ten­rei­he „Pro­ve­ni­re“ er­schie­nen, die das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te im Ver­lag De Gruy­ter her­aus­gibt (326 Sei­ten, zahlr. farb. Abb., 39.95 Eu­ro). In der Rei­he „Pro­ve­ni­re“ ver­öf­fent­licht das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te wis­sen­schaft­li­che Bei­trä­ge aus dem Be­reich Pro­ve­ni­enz­for­schung.

Der vor­lie­gen­de Sam­mel­band bein­hal­tet un­ter an­de­rem die Vor­trä­ge der Herbst­kon­fe­renz „VEB Kunst – Kul­tur­gut­ent­zug und Han­del in der DDR“, die das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te im Jahr 2020 als di­gi­ta­le Fach­ta­gung ver­an­stal­te­te.

Cover des dritten Bandes der Schriftenreihe "Provenire"