Im Städtischen Museum in Aschersleben befindet sich der deutschlandweit einzige Freimaurertempel einer aktiven Loge, der öffentlich besichtigt werden kann. Das Gebäude am Markt war von 1798 bis 1935 Sitz der Loge. Mit ihrem Verbot und der Liquidation durch das NS-Regime ging das Grundstück in den Besitz der Stadt über. Seit 1955 befindet sich das Museum im Gebäude. 1992 wurde das Haus der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland als Nachfolgeorganisation übertragen und 1993 die Johannisloge „Zu den drei Kleeblättern“ reaktiviert. Seitdem nutzen Loge und Museum das Haus gemeinsam. Die dortige Ausstellung informiert über die Geschichte der Loge und zeigt rund 50 Exponate des Freimaurertums. Das Museum besitzt zudem mehrere Objekte mit Freimaurer-Bezug. Wegen des Verbots der Freimaurerei in Nazi-Deutschland 1935 und der Enteignung der Logen lastet auf Freimaurer-Objekten in Museumsbesitz ein Verdacht auf NS-Raubgut. Der Aschersleber Logenmeister Hans-Martin Kohlmann stellte daher 2019 an das Museum einen „Antrag auf Rückgabe von Logeneigentum“.
In einem vom Zentrum geförderten, sechsmonatigen Forschungsprojekt untersuchte die Kunsthistorikerin Christiane Grathwohl-Scheffel sämtliche Objekte – unter anderem Kleidung, Bücher, Ritualgegenstände – mit Freimaurerbezug am Museum und arbeitete die NS-verfolgungsbedingt erzwungene Auflösung der Freimaurerloge auf. Außerdem ermittelte sie Vorbesitzer:innen, ergründete, warum sie sich von den Objekten trennten, und rekonstruierte deren Weg ins Städtische Museum. Demnach gelangten 48 Objekte ab 1980, mehrheitlich nach 1990, an das Museum durch Schenkungen und Ankäufe von Nachkommen der zwischen 1900 und 1935 aktiven Brüder. Das Museum wurde Ansprechpartner für derartige Nachlässe.
Spektakulär ist der Dachbodenfund von vier Fassadenschmucksteinen in Form eines dreiblättrigen Kleeblattes während des Forschungsprozesses. Diese wurden versteckt hinter dem Drempel auf dem Dachboden des Museums aufgefunden. Ein gleichartiger Stuck war bereits in den 1990er Jahren auf dem Dachboden geborgen wurden – ebenso wie zwei Kanonengläser, die bereits in den 1950er Jahren vom Museumspersonal entdeckt worden waren. Darüber hinaus konnte die Liquidationsgeschichte der Loge nahezu lückenlos aufgearbeitet werden. Die archivierte Inventarliste der „Gestapo“, die das Aschersleber Logeneigentum 1935 beschlagnahmte, listet 340 Gegenstände auf. Diese sind bis heute nicht auffindbar.
Als Ergebnis der Provenienzforschung wurde schließlich gemeinsam mit dem Logenmeister die Restitution von 17 Objekten vereinbart. Neben den fünf Fassadenschmucksteinen und den zwei Kanonengläsern beinhaltet die Übergabe mehrere Bücher und ein Logenabzeichen. Außerdem wurden zwei weitere Eigentümer ausgemacht: Drei Bücher mit Eigentumshinweisen der zwei liquidierten Eislebener Logen werden an die wiedergegründete Loge „Zum aufblühenden Baum“ in Eisleben restituiert. Der handschriftliche „Katalog der Medaillen- und Bijoux-Sammlung der Großen Landesloge d. Frm. Von Deutschland. Schlichting 31.12.50“ stammt nicht aus der NS-Zeit und geht an das Logenmuseum in St. Michaelisdon, das die betreffende Sammlung verwahrt.
Die Restitution findet am 13. April 2022 von 11 Uhr bis 12:30 Uhr im Logentempel im Beisein des Logenmeisters Hans-Martin Kohlmann und des Kulturstaatssekretärs Dr. Sebastian Putz statt. Die Übergabe ist öffentlich. Interessierte werden gebeten, sich bis zum 12.04.2022 beim Museum anzumelden.