Prof. Robert Zepf, der Direktor der SUB Hamburg, und Regine Schoch, die Vertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung, mit der Restitutionsvereinbarung.
NS-Raubgut

Hamburger SUB restituiert gemeinsam mit der ZB Recht NS-Raubgut an die Friedrich-Ebert-Stiftung

Die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky hat am 17. November 2021 zusammen mit der Zentralbibliothek Recht mehr als 100 Bücher, Briefe und Materialien zu Otto von Bismarck an die Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. restituiert.

Die Bücher wurden im Zuge der Recherchen ausfindig gemacht, deren Grundlagenforschung vor einigen Jahren von der Koordinierungsstelle Magdeburg gefördert wurde. Bei der Übergabe der Sammlung wurde die Geschichte der ursprünglich in Aumühle ansässigen „Bismarck-Bücherei Specht“ nachgezeichnet. Sie war 1927 an den SPD-eigenen Auer-Verlag verkauft worden und gelangte zur Zeit des Nationalsozialismus als Raubgut in den Bestand der Staats- und Universitätsbibliothek.

Im Zu­ge der Pro­ve­ni­enz­for­schung wa­ren vor ei­ni­ger Zeit im Be­stand der Ham­bur­ger Staats- und Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek (SUB) 125 Bü­cher zu Fürst Ot­to von Bis­marck, zwei Ko­pi­en von Bis­marck-Brie­fen und ein Lie­der­heft ge­fun­den wor­den. Al­le die­se Ma­te­ria­li­en stamm­ten aus dem Be­sitz des Au­er-Ver­lags, der der SPD ge­hör­te. Der Zu­sam­men­hang er­schloss sich nach und nach: Die „Bis­marck-Bü­che­rei Specht“, zu der die Brie­fe und Bü­cher ge­hör­ten, war ur­sprüng­lich als Samm­lung des Bis­marck-Ver­eh­rers Emil Specht aus dem Sach­sen­wald ent­stan­den. Auf sei­ne In­itia­ti­ve war En­de des 19. Jahr­hun­derts in Au­müh­le  der Bis­marck-Turm nach Plä­nen des Ham­bur­ger Ar­chi­tek­ten Her­mann Schom­burgk er­baut und dar­in ein Ort für Spechts Bis­marck-Bi­blio­thek ge­schaf­fen wor­den. Nach Spechts Tod er­warb die Ge­mein­de Au­müh­le zwar den Turm, die  Bü­che­rei wur­de 1927 aber teil­wei­se an den SPD-ei­ge­nen Au­er-Ver­lag ver­kauft.

Der Au­er-Ver­lag hat­te ei­ne ei­ge­ne Bi­blio­thek, gab Schrif­ten von Marx, En­gels, Be­bel und Lieb­knecht her­aus und pu­bli­zier­te das  in so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Krei­sen viel­ge­le­se­ne „Ham­bur­ger Echo“. Es lässt sich nur spe­ku­lie­ren, wa­rum ge­ra­de der Au­er-Ver­lag die Bis­marck-Bi­blio­thek kauf­te – war es aus In­ter­es­se am frü­he­ren Reichs­kanz­ler als Ver­ant­wort­li­chem für die So­zia­lis­ten­ge­set­ze der 1870er Jah­re? Im Zu­ge der NS-Ver­fol­gungs­maß­nah­men ge­gen die So­zi­al­de­mo­kra­tie wur­den  im Mai 1933 der Ver­lag und Tei­le sei­ner Bi­blio­thek kon­fis­ziert. Die oben­ge­nann­ten Bü­cher und Brie­fe wur­den in den Jah­ren 1937-1939 als „Ge­schenk“ der Ge­sta­po Ham­burg in den Be­stand der heu­ti­gen SUB Ham­burg ein­ge­ar­bei­tet. Sechs die­ser Bü­cher wur­den zwi­schen 1949 und 1954 in die Bi­blio­thek des In­sti­tuts für Aus­wär­ti­ge Po­li­tik über­nom­men. Nach 1973 war die Bi­blio­thek des In­sti­tuts für In­ter­na­tio­na­le An­ge­le­gen­hei­ten zu­stän­dig, die­se ist seit 2004 Teil der Zen­tral­bi­blio­thek Recht.

Die Re­cher­chen der Pro­ve­ni­enz­for­schen­den an der SUB führ­ten zum heu­ti­gen recht­mä­ßi­gen Ei­gen­tü­mer. Die Fried­rich-Ebert-Stif­tung nimmt in der Tra­di­ti­on des ehe­ma­li­gen SPD-Par­tei­ar­chivs die Re­sti­tu­ti­ons­an­sprü­che der Par­tei auf NS-Raub­gut wahr.

Die Bü­cher der Bis­marck-Bü­che­rei Specht wer­den in der Bi­blio­thek der Fried­rich-Ebert-Stif­tung für die For­schung zur Ver­fü­gung ste­hen. Wie die Bon­ner Kol­le­gin am Ran­de der Über­ga­be be­merk­te, sol­len sie ih­ren Platz di­rekt ne­ben der Bi­blio­thek von Karl Marx fin­den.

Prof. Robert Zepf, der Direktor der SUB Hamburg, und Regine Schoch, die Vertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung, mit der Restitutionsvereinbarung.