Die Bücher wurden im Zuge der Recherchen ausfindig gemacht, deren Grundlagenforschung vor einigen Jahren von der Koordinierungsstelle Magdeburg gefördert wurde. Bei der Übergabe der Sammlung wurde die Geschichte der ursprünglich in Aumühle ansässigen „Bismarck-Bücherei Specht“ nachgezeichnet. Sie war 1927 an den SPD-eigenen Auer-Verlag verkauft worden und gelangte zur Zeit des Nationalsozialismus als Raubgut in den Bestand der Staats- und Universitätsbibliothek.
Im Zuge der Provenienzforschung waren vor einiger Zeit im Bestand der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) 125 Bücher zu Fürst Otto von Bismarck, zwei Kopien von Bismarck-Briefen und ein Liederheft gefunden worden. Alle diese Materialien stammten aus dem Besitz des Auer-Verlags, der der SPD gehörte. Der Zusammenhang erschloss sich nach und nach: Die „Bismarck-Bücherei Specht“, zu der die Briefe und Bücher gehörten, war ursprünglich als Sammlung des Bismarck-Verehrers Emil Specht aus dem Sachsenwald entstanden. Auf seine Initiative war Ende des 19. Jahrhunderts in Aumühle der Bismarck-Turm nach Plänen des Hamburger Architekten Hermann Schomburgk erbaut und darin ein Ort für Spechts Bismarck-Bibliothek geschaffen worden. Nach Spechts Tod erwarb die Gemeinde Aumühle zwar den Turm, die Bücherei wurde 1927 aber teilweise an den SPD-eigenen Auer-Verlag verkauft.
Der Auer-Verlag hatte eine eigene Bibliothek, gab Schriften von Marx, Engels, Bebel und Liebknecht heraus und publizierte das in sozialdemokratischen Kreisen vielgelesene „Hamburger Echo“. Es lässt sich nur spekulieren, warum gerade der Auer-Verlag die Bismarck-Bibliothek kaufte – war es aus Interesse am früheren Reichskanzler als Verantwortlichem für die Sozialistengesetze der 1870er Jahre? Im Zuge der NS-Verfolgungsmaßnahmen gegen die Sozialdemokratie wurden im Mai 1933 der Verlag und Teile seiner Bibliothek konfisziert. Die obengenannten Bücher und Briefe wurden in den Jahren 1937-1939 als „Geschenk“ der Gestapo Hamburg in den Bestand der heutigen SUB Hamburg eingearbeitet. Sechs dieser Bücher wurden zwischen 1949 und 1954 in die Bibliothek des Instituts für Auswärtige Politik übernommen. Nach 1973 war die Bibliothek des Instituts für Internationale Angelegenheiten zuständig, diese ist seit 2004 Teil der Zentralbibliothek Recht.
Die Recherchen der Provenienzforschenden an der SUB führten zum heutigen rechtmäßigen Eigentümer. Die Friedrich-Ebert-Stiftung nimmt in der Tradition des ehemaligen SPD-Parteiarchivs die Restitutionsansprüche der Partei auf NS-Raubgut wahr.
Die Bücher der Bismarck-Bücherei Specht werden in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Forschung zur Verfügung stehen. Wie die Bonner Kollegin am Rande der Übergabe bemerkte, sollen sie ihren Platz direkt neben der Bibliothek von Karl Marx finden.