Museumsstiftung Post und Telekommunikation übergibt Buch an Jüdisches Museum Frankfurt
Seit 2015 betreibt die Museumsstiftung Post und Telekommunikation Provenienzforschung in ihren Sammlungsbeständen. Von 2018 bis 2020 untersuchte Provenienzforscher Peter Hirschmiller die Sammlung auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut. Dabei fiel ihm der „Handlungs-Addreß-Kalender von Frankfurt (Main) auf das Jahr 1807“ in die Hände. Dieser umfasst nicht nur die Adressen der diversen Frankfurter Handelsfirmen, sondern auch Informationen über Marktzeiten und jüdische Feiertage, Post- und Kurierrouten oder Portopreise. Ein kunstvolles Exlibris auf der Innenseite des Buchdeckels wies das Buch als Besitz des jüdischen Frankfurter Justizrats Dr. Ludwig Heilbrunn aus. Heilbrunn war auch als Politiker, Autor und Mäzen tätig und spielte im Frankfurter Gesellschaftsleben eine bedeutende Rolle.
Nach dem Novemberpogrom im Jahre 1938 war ihm mit knapp 70 Jahren die Flucht nach Großbritannien geglückt, wo er isoliert und verarmt lebte. Der Grundbesitz der Familie wurde 1938/39 zwangsveräußert, auch Teile der wertvollen Privatbibliothek Ludwig Heilbrunns gingen verloren. „Ich selbst lebe als Bettler in London“, schrieb Heilbrunn 1945 an seinen Sohn Rudolf. 1949 kehrte er nach Deutschland zurück, zog jedoch bis zu seinem Lebensende 1951 nicht mehr nach Frankfurt.
Beim Bemühen um eine Restitution des Kalenders und der Suche nach möglichen Erben stellte sich heraus, dass beide Söhne Heilbrunns, Rudolf und Robert, im Jahre 1939 emigriert waren. Während sich Robert in die USA rettete und dort blieb, kehrte Rudolf in den 1960er Jahren in die Bundesrepublik Deutschland zurück und lebte bis zu seinem Tod 1998 in Kaiserslautern. Er blieb kinderlos und vermachte sein Familienarchiv und Teile seiner Bibliothek dem Jüdischen Museum Frankfurt. Im März 2021 wurde der Kalender deshalb ebenfalls an das Jüdische Museum Frankfurt übergeben.
Anlässlich des 120. Geburtstags von Rudolf M. Heilbrunn findet am Dienstag, 20. April, 19 Uhr im Jüdischen Museum „Ein Abend für Rudolf Heilbrunn“ statt. Das öffentliche Gespräch mit Provenienzforscher Peter Hirschmiller, der Kustodin für Zeitgeschichte des Jüdischen Museums Heike Drummer und Dr. Corinna Engel, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit des Museums für Kommunikation Frankfurt, wird als Livestream übertragen:
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