Populär-wissenschaftliche Monatsblätter, Jüdisches Museum Westfalen
NS-Raubgut

Nach über 75 Jahren: Jüdisches Museum Westfalen restituiert Buch an die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main

Das Jüdische Museum Westfalen hat am 2. September ein historisches Buch an die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main zurückgegeben. Die Schrift war im Rahmen eines durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste geförderten Forschungsprojektes als Besitz der Bibliothek der einstigen Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main identifiziert worden.

Es han­delt sich um die Po­pu­lär-wis­sen­schaft­li­chen Mo­nats­blät­ter zur Be­leh­rung über das Ju­den­tum für Ge­bil­de­te al­ler Kon­fes­sio­nen, ei­ne kul­tur­his­to­ri­sche Zeit­schrift des Men­delsohn-Ver­eins aus Frank­furt am Main, die der jü­di­sche Theo­lo­ge Adolf Brüll En­de des 19. Jahr­hun­derts her­aus­gab. Die zehn Mo­nats­heft­chen für das Jahr 1891 bein­hal­ten Auf­sät­ze, die As­pek­te der jü­di­schen Re­li­gi­on re­flek­tie­ren. Das Jü­di­sche Mu­se­um West­fa­len er­warb das Ex­em­plar beim Auf­bau sei­ner Samm­lung im Jahr 1988 über ein An­ti­qua­ri­at in Müns­ter.

Im Ein­band des Bu­ches konn­ten zwei auf­schluss­rei­che Be­sit­zer­stem­pel iden­ti­fi­ziert wer­den. Ein Stem­pel weist auf die „Bi­blio­thek der Is­rae­li­ti­schen Ge­mein­de Frank­furt am Main“ als ur­sprüng­li­che Be­sit­ze­rin hin. Das Ex­em­plar ist ei­nes der we­ni­gen er­hal­te­nen his­to­ri­schen Do­ku­men­te aus der am 6. No­vem­ber 1942 von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten auf­ge­lös­ten Is­rae­li­ti­schen Ge­mein­de Frank­furt am Main. Die Bi­blio­thek der da­ma­li­gen jü­di­schen Ge­mein­de Frank­furt um­fass­te im Jahr 1937 ei­nen Be­stand von na­he­zu 15.384 Ex­em­pla­ren.

Ein Fo­to­ver­gleich des Ge­mein­de­stem­pels mit ei­ner his­to­ri­schen Auf­nah­me in der Da­ten­bank fold3 be­stä­tig­te den Ver­dacht, dass es sich bei dem Buch um so ge­nann­tes NS-Raub­gut han­delt. Im Of­fen­bach Ar­chi­val De­pot, der zen­tra­len Sam­mel­stel­le für jü­di­sche Kul­tur­gü­ter nach 1945, do­ku­men­tier­te der Di­rek­tor Jo­seph A. Hor­ne den Stem­pel in der Ka­te­go­rie „loo­ted books“ (ge­raub­te Bü­cher).

Auf der In­nen­sei­te des Buchein­ban­des fin­det sich auch ein vio­let­ter Stem­pel mit dem he­bräi­schen Wort הוצא (= her­aus­ge­nom­men). Es liegt na­he, dass das Buch nach der Do­ku­men­ta­ti­on im Of­fen­bach Ar­chi­val De­pot um 1949 als „Outship­ment“ (Aus­fuhr) durch die jü­di­sche Treu­hand­or­ga­ni­sa­ti­on Je­wish Cul­tu­ral Re­con­struc­ti­on nach Is­rael über­führt wur­de, dort in ei­nen Bi­blio­thek­be­stand kam und spä­ter in den Han­del ge­lang­te. Vie­le Bü­cher aus is­rae­li­schen Be­stän­den tra­gen die­sen Stem­pel.

Die Jü­di­sche Ge­mein­de Frank­furt am Main, ide­el­le Rechts­nach­fol­ge­rin al­ler in Frank­furt vor dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus an­säs­si­gen jü­di­schen Ge­mein­den, und das Jü­di­sche Mu­se­um West­fa­len möch­ten mit der Rück­ga­be für ei­nen trans­pa­ren­ten Um­gang mit Ob­jek­ten be­las­te­ter Pro­ve­ni­enz sen­si­bi­li­sie­ren und der mo­ra­li­schen Ver­ant­wor­tung für jü­di­sche Kul­tur­gü­ter ge­recht wer­den.
Link zum Jü­di­schen Mu­se­um West­fa­len

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Restitution eines Buches an die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main, v.l.n.r.: Dr. Kathrin Pieren, Marc Grünbaum