Blatt mit Handschrift
NS-Raubgut

Pilotprojekt zur „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“

Durch neue Restaurierungstechniken sollen Unterlagen erstmals zugänglich werden.

Das Bundesarchiv, die Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar und der Studiengang Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen planen, in einem Pilotprojekt historisch bedeutsame Unterlagen der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ zu restaurieren, zugänglich zu machen und für künftige Generationen zu erhalten. Damit erproben sie zugleich Möglichkeiten für eine längerfristige Kooperation im Bereich der Mengenrestaurierung von Kulturgut. Das Projekt startete Anfang 2024 und wurde nun in Berlin vorgestellt.

Archive und Bibliotheken bewahren auch Bestände, die aufgrund schwerster Brand-, Wasser- oder Säureschäden nicht im Original genutzt und auch nicht digitalisiert werden können. Sie sind damit für die Öffentlichkeit unzugänglich. Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar und das Fachgebiet Konservierung und Restaurierung von Schriftgut, Buch und Grafik der HAWK verfügen über Erfahrungen bei der Anwendung und Entwicklung von Mengenverfahren in der Restaurierung von schwerstgeschädigtem Bibliotheksgut. Sie sollen im Rahmen der Kooperation mit dem Bundesarchiv eingesetzt und erweitert werden. Dabei kommen innovative Verfahren aus der Celluloseforschung und Multispektraldigitalisierung zum Einsatz. Als erstes Konvolut für ein Pilotprojekt der drei Institutionen wurden neun Objekte aus dem Bundesarchiv-Bestand R 8150 der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ ausgewählt, die restauriert und wieder nutzbar gemacht werden sollen.

Die Reichsvereinigung wurde 1939 durch den NS-Staat eingerichtet. Alle Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen als Juden galten, wurden zwangsweise Mitglied. Damit diente sie den Machthabenden zur Kontrolle der in Deutschland verbliebenen Jüdinnen und Juden und als Instrument, um große Teile der Vermögen der Emigrant:innen beschlagnahmen zu können. Ab 1941 nutzte die Gestapo die Mitgliederkarteien der Reichsvereinigung für die Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager. Dennoch konnte die Reichsvereinigung bis 1941 auch Jüdinnen und Juden bei der Flucht aus Deutschland unterstützen.

Ein Teil dieses Bestandes ist in einem konservatorisch schlechten Zustand und daher aktuell nicht benutzbar. Bisher gab es keine technischen Verfahren, um einen Bestand dieser Größenordnung zu restaurieren. Im Rahmen des Pilotprojekts soll ein Transfer der bereits bestehenden Mengenverfahren für fragiles Bibliotheksgut auf schwer geschädigtes Archivgut getestet und damit deren Anwendungsspektrum erweitert werden.

Handschrift aus dem Bestand der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland – Blatt 15 mit mechanischen und mikrobiologischen Schäden, die eine Instabilität im Papier verursachen (im Durchlicht).