Working Paper zu Rückgabeforderungen und Rückgaben von Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten
Die Untersuchung der Ethnologin Rikke Gram und der Kunsthistorikerin Zoe Schoofs zeigt, dass in diesem Zeitraum an ca. 30 west- und ostdeutsche öffentliche Institutionen (Museen und Universitätssammlungen) Rückgabeforderungen in Bezug auf konkrete Objekte und/oder menschliche Überreste herangetragen wurden. Betroffen waren anatomische/anthropologische, naturhistorische, archäologische/prähistorische, ethnologische und (kultur-)historische Sammlungen. Die Rückgabeforderungen kamen aus ca. 20 verschiedenen Ländern. Die Untersuchung schlüsselt Rückgaben bzw. Rückgabeforderungen nach Ländern und Institutionen auf und beschreibt die einzelnen, oft sehr unterschiedlich gelagerten Fälle in Kürze.
Menschliche Überreste von mehr als 400 Individuen wurden nach den Erkenntnissen der Autorinnen zwischen 1991 und 2021 vor allem an Namibia, Neuseeland und Australien repatriiert, einige wenige auch nach Brasilien, Japan, Paraguay, Tansania und USA beziehungsweise Hawai’i. In fünf Fällen konnten menschliche Überreste durch Provenienzforschung bereits vor der Rückgabe namentlich identifiziert werden.
Im Bereich von Kulturgut wurden zwischen 1996 und 2021 ca. 17 Einzelobjekte (oder deren Fragmente) aus öffentlichen Institutionen zurückgegeben: So wurden beispielsweise neun Objekte nach Alaska/USA restituiert; fünf Objekte kehrten nach Namibia zurück - vier davon stammten aus dem Besitz des Widerstandskämpfers Hendrik Witbooi. Weitere Rückgaben herausragender Einzelobjekte und ihrer Fragmente erfolgten nach Ägypten, in die Türkei und nach Zimbabwe. Restitutionsfragen wurden zudem mit einer Reihe weiterer Länder erörtert, darunter Kamerun, Kolumbien, Myanmar, Nigeria und Sri Lanka; dies erfolgte in einigen Fällen bereits in den 1970er Jahren. Das Working Paper erwähnt auch einzelne Rückgaben aus privatem Besitz bzw. dem Besitz von Missionsgesellschaften.
Die Übersicht ist in der Reihe „Working Paper Deutsches Zentrum Kulturgutverluste“ auf der Publikationsplattform der Max Weber Stiftung www.perspectivia.net erschienen und steht dort unter der DOI 10.25360/01-2022-00019 kostenfrei zum Download bereit.
Das Working Paper basiert auf einer sechsmonatigen wissenschaftlichen Recherche der Autorinnen, die durch die lückenhafte Quellenlage notwendig wurde. Da in Deutschland bisher kein offizielles Verzeichnis von Rückgaben von Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten existiert, wurden für die Übersicht vor allem (populär-)wissenschaftliche Literatur und Medienberichte ausgewertet; außerdem wurde, wenn möglich, Kontakt zu den Beteiligten aufgenommen. Das Working Paper 3 schließt an das Working Paper 1, „Returns of Cultural Artefacts and Human Remains in a (Post)colonial Context. Mapping Claims between the Mid-19th Century and the 1970s“, des Historikers Lars Müller (DOI: 10.25360/01-2021-00017) an.