Deutsches Zentrum Kulturgutverluste bewilligt in der ersten Förderrunde 2021 rund 2,8 Millionen Euro für 31 Projekte der Provenienzforschung im Bereich „NS-Raubgut“
Er galt als Duzfreund Hitlers, war bestens vernetzt im NS-Staat – und Gründer des heutigen Deutschen Jagd- und Fischereimuseums in München. Christian Weber, genannt „Tyrann von München“, hatte die Gründung des „Deutschen Jagdmuseums“ 1938 initiiert und sorgte dafür, dass sich die Sammlung vor allem in den Kriegsjahren auffallend vergrößerte: durch Dienstreisen ins besetzte Frankreich, durch Kontakte zu Kunsthändlern, vor allem aber durch seine Verbindungen zu hochrangigen NS-Funktionären oder zur Gestapo. Ob und welche Kunstwerke und Objekte der Museumssammlung geraubt oder erpresst wurden und wie Weber sich dabei auch persönlich bereicherte, das soll jetzt ein vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördertes Provenienzforschungsprojekt klären. Einige Objekte wurden bereits als Raubgut aus dem Besitz jüdischer Sammler identifiziert, momentan gelten 156 als möglicherweise belastet.
Das Projekt in München ist eines von 31 Forschungsvorhaben im Bereich NS-Raubgut, die in der ersten Förderrunde 2021 vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg finanziell unterstützt werden. Der Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste hat auf Empfehlung seines Förderbeirates in dieser ersten Antragsrunde 2021 rund 2,8 Millionen Euro für Provenienzforschung an Museen, Bibliotheken, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie für sechs private Antragsteller bewilligt.
Dabei werden nicht nur Kunstwerke untersucht, sondern zum Beispiel auch Bücher: Die Stiftung Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt etwa erforscht die Herkunft eines umfangreichen Konvoluts aus tausenden Büchern und losen Blättern, das 2018 in 20 Munitionskisten der Wehrmacht und einigen Umzugskartons an die Stiftung übergeben wurde. Erste Recherchen legen nahe, dass die Bücher zum größten Teil aus dem Besitz deportierter oder emigrierter Juden stammen.
Nicht nur die Museen und Bibliotheken untersuchen die Herkunft ihrer Bestände. Nachfahren von Verfolgten erforschen die Geschichte der verstreuten Sammlungen ihrer Vorfahren: Hagar Lev, Urenkelin des jüdischen Münchner Bettfedernfabrikanten Karl Adler und seiner Frau Emilie, widmet sich der Rekonstruktion der umfangreichen Kunstsammlung ihres Urgroßvaters. Karl Adler wurde 1938 im Konzentrationslager Dachau ermordet, seine Sammlung mit Werken der Klassischen Moderne wurde beschlagnahmt und ist heute verschollen. Das Projekt soll den Verbleib der mindestens 130 Kunstwerke klären, es soll aber auch die Verdienste verfolgter, vergessener Sammler wie Karl Adler um das kulturelle Leben in Deutschland wieder ins Bewusstsein rufen.
Bund und Länder haben seit 2008 die Provenienzforschung im Bereich NS-Raubgut mit insgesamt 39,6 Millionen Euro gefördert, mit denen bislang 391 Projekte realisiert werden konnten. Das von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zum 01.01.2015 gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg ist in Deutschland zentraler Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßig entzogenen Kulturguts. Das Zentrum wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien institutionell gefördert und erhält von dort auch die Mittel für seine Projektförderung. Anträge für längerfristige Projekte können jeweils bis zum 1. Januar und 1. Juni eines Jahres eingereicht werden.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert nicht nur Forschungsprojekte, es dokumentiert darüber hinaus Kulturgutverluste auch in seiner öffentlich zugänglichen Datenbank „Lost Art“ als Such- und Fundmeldungen. Die Ergebnisse der geförderten Forschungsprojekte stellt das Zentrum in seiner Forschungsdatenbank „Proveana“ unter www.proveana.de dar.
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