Deutsches Zentrum Kulturgutverluste bewilligt in der zweiten Förderrunde 2020 rund 1,97 Millionen Euro für 25 Projekte der Provenienzforschung im Bereich „NS-Raubgut“
Einst galt es als eines der renommiertesten Antiquariate Europas: Das Antiquariat „Jacques Rosenthal“ in München hatte um 1900 einen Lagerbestand, der sich mit der Bayerischen Staatsbibliothek messen konnte. Unter Jacques‘ Sohn Erwin florierte das Geschäft weiterhin, doch 1935 belegten die Nationalsozialisten den jüdischen Firmeninhaber mit Berufsverbot. Erwin Rosenthal musste die Firma an einen Mitarbeiter übergeben, die private Kunstsammlung der Familie wurde verkauft, viele der teils wertvollen Werke sind noch immer verschollen. Wie die Sammlung einst aussah, was sie umfasste und wo die Kunstwerke abgeblieben sind, will das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München in Kooperation mit der Nachfahrin Julia Rosenthal erforschen.
Das Projekt in München ist eines von 25 Forschungsprojekten, die neben anderen ab 2020 vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg finanziell unterstützt werden. Der Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste hat auf Empfehlung seines Förderbeirates „NS-Raubgut“ in der zweiten Antragsrunde 2020 (Antragsfrist: 1. Juni) rund 1,97 Millionen Euro für Provenienzforschung an Museen, Bibliotheken, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie für drei Privatpersonen bewilligt.
Rekonstruiert werden aber nicht nur verlorengegangene Sammlungen. So widmen sich etwa Museum und Kunstsammlung Schloss Hinterglauchau in einem Forschungsprojekt den Kunstwerken, die der Dresdner Mediziner Paul Geipel (1869-1956) dem Haus seit den 1940er Jahren schenkte: Geipel war als Kunstsammler auch während der Zeit des Nationalsozialismus aktiv. Teile seiner Sammlung gab er unter anderem an das Museum der bildenden Künste Leipzig, das seinen Geipel-Bestand bereits aufgearbeitet und Werke restituiert hat. Nun sollen auch ausgewählte Grafiken und Gemälde in Glauchau untersucht werden. Neben Museen widmen sich Privatpersonen, Archive und Bibliotheken der Erforschung ihrer Bestände: Die Stadtbibliothek Hannover zum Beispiel untersucht nun die Bibliothekszugänge während der NS-Zeit und geht der Frage nach, inwieweit die Bibliothek damals von der Verwertung geraubter Bücher profitierte.
Bund und Länder haben seit 2008 die Provenienzforschung im Bereich NS-Raubgut mit insgesamt 36,8 Millionen Euro gefördert, mit denen bislang 372 Projekte realisiert werden konnten. Das von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zum 01.01.2015 gegründete Deutsche Zentrum Kulturgut-verluste in Magdeburg ist in Deutschland zentraler Ansprechpartner zu allen Fragen unrechtmäßig ent-zogenen Kulturguts. Das Zentrum wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien institutionell gefördert und erhält hieraus auch die Mittel für seine Projektförderung. Anträge für längerfristige Projekte können jeweils bis zum 1. Januar und 1. Juni eines Jahres eingereicht werden.