Das Glas vom Gleis – Archäologie der Bagdadbahn unter kolonialen Vorzeichen

Förderbereich:
Koloniale Kontexte
Zuwendungs­empfänger:
Leibniz-Zentrum für Archäologie
Bundesland:
Rheinland-Pfalz
Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Zwischen 1903 und 1918 wurde im Osmanischen Reich die sogenannte Bagdadbahn errichtet, die Konya mit Bagdad verbinden sollte. Dies geschah unter massiver finanzieller wie planerisch-technischer Beteiligung des Deutschen Kaiserreiches und deutscher Firmen, weswegen die Bahnstrecke damals als eines der größten deutschen Infrastrukturprojekte galt und aufgrund des aufwändigen Streckenvortriebs durch Gebirgszüge als Meisterleistung der Ingenieurtechnik gefeiert wurde. Unzweifelhaft wurden bei der Anlage der Strecke auch archäologische Funde geborgen.

Im Bestand des Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) befinden sich über 60 Glasgefäße römischer, frühbyzantinischer und frühislamischer Zeitstellung, die zwischen 1912 und 1914 durch das LEIZA erworben wurden und aus Syrien stammen sollen. Im Vordergrund des Projekts steht die Frage, ob es sich bei den Glasgefäßen um Objekte handelt, die beim Bau der Bagdadbahn gefunden worden sind und auf welchen Wegen sie aus Syrien in den Westen vermittelt wurden. Darüber hinaus ist aber auch von Interesse, welche Rolle die Akteursnetzwerke aus Bauträgern, Behörden, diplomatischen und politischen Vertretern, Museen und wissenschaftlichen Gesellschaften bei der Bergung und Verteilung der Funde spielten. Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit örtlichen Antikenhändlern? Welche Rolle spielten möglicherweise auf der Baustelle der Bagdadbahn eingesetzte Zwangsarbeiter? Wie wurde der Transfer von Antiken nach Europa in den Ursprungsländern wahrgenommen, wie wurde er im Kaiserreich von den Sammlungsverantwortlichen bewertet? Und sind in deutschen oder europäischen Sammlungen weitere archäologische (Glas)objekte aus dem Kontext des Baus der Bagdadbahn zu finden?

Ziel des Projektes ist es, jene Individuen, Strukturen und Mechanismen zu identifizieren, die die Bergung archäologischer Funde und den Handel mit antiken Objekten zwischen dem Deutschen Kaiserreich und dem damals unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches stehenden „Umschlagplatz Syrien prägten. Die Forschungsarbeit ist dabei von einem interdisziplinären Ansatz geprägt: Im Vordergrund steht die historische Provenienzrecherche archivalischer Quellen, gleichzeitig werden die Glasobjekte aber auch in einem Begleitprojekt archäologisch aufgearbeitet. Unter anderem wird angestrebt, über Vergleichsstudien und eine Analyse der bekannten Fundstätten im nördlichen Syrien die Provenienz der Stücke abzusichern und mögliche Fundregionen zu identifizieren. Schließlich erfolgt auch eine naturwissenschaftliche Analyse zur chemischen Zusammensetzung der Gläser, um von dieser Seite Erkenntnisse zur Provenienz zu gewinnen.

Team:

Dr. Jörg Drauschke

Anna Georgiev M.A.

Prof. Dr. Susanne Greiff

Dr. Constanze Höpken

Dr. Florian Schimmer

(c) Leibniz-Zentrum für Archäologie