Die Bernhard-Winter-Stiftung: Provenienzforschung am Stadtmuseum Oldenburg

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Stadtmuseum Oldenburg
Bundesland:
Niedersachsen
Ansprechpartner:
Sabine Stührholdt, M.A.

PositionProvenienzforschung Stadtmuseum Oldenburg

E-Mailsabine.stuehrholdt@stadt-oldenburg.de

Projekttyp:
Kurzfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Der Nachlass des Oldenburger Portrait- und Heimatmalers Bernhard Winter (18711964) wurde am Stadtmuseum Oldenburg auf Raubgut hin untersucht. Während der Zeit des Dritten Reichs standen der Künstler und seine Ehefrau, Martha Winter, der völkischen Ideologie des Nationalsozialismus nahe. Dieser Umstand und zugleich die ungeteilte Anerkennung des Regimes, die Bernhard Winter als Maler genoss, gaben Anlass zu der Frage, ob er als Sammler über einschlägige Kontakte einen privilegierten Zugriff auf sogenanntes „Hollandgut gehabt hat, auf beschlagnahmte Haushaltsgüter aus jüdischem Besitz, die in den Jahren 1942 bis 1944 als nationalsozialistisches Raubgut aus den Beneluxländern und aus Frankreich in Oldenburg und im ehemaligen Gau Weser-Ems zur großflächigen Verteilung kamen.

Im Fokus der Untersuchung stand die mehr als 600 Objekte umfassende kulturhistorische Sammlung des Künstlers, bestehend aus vielerlei bäuerlichem Haus- und Zierrat, bürgerlichem Gebrauchsgeschirr sowie Möbeln verschiedener Jahrhunderte aus der Region. Darüber hinaus zählen auch einige Exponate zu dieser Kollektion, die Bernhard Winters Sammlungsschema, welches wesentlich von der Heimatbewegung geprägt ist, nicht entsprechen: Unter Ihnen ragt ein vermutlich belgischer Damensalon des Jugendstils besonders heraus, des Weiteren einige kunstgewerbliche Gegenstände aus Frankreich und Holland. Diesen Objekten galt im Laufe des Projekts eine besondere Aufmerksamkeit. Jedoch haben sich zu ihnen keinerlei konkrete Hinweise auf unrechtmäßigen Erwerb gefunden.

In einem ersten umfangreichen Schritt wurde der gesamte schriftliche und bildliche Nachlass der Eheleute Bernhard und Martha Winter, der in insgesamt 27 Archivkartons und einigen Kisten im Stadtmuseum verwahrt wird, gesichtet. Alles Bild- und Schriftgut, das für die Fragestellung des Projekts wesentlich ist, wurde systematisch auf Verdachtsmomente hin untersucht, darunter vielerlei private Aufzeichnungen und Korrespondenz.

In einem zweiten Schritt erfolgte die systematische Überprüfung der Objekte: Gut 600 im Bestand des Museums verzeichnete Gegenstände der Sammlung wurden in der Dauerausstellung und im Magazin auf spezifische äußere Besitz- und Herkunftsmerkmale wie etwa handschriftliche Bezeichnungen, Stempel, Aufkleber, Nummerierungen, etc. hin untersucht. Als Basis für diese Arbeit diente die 2013 erstmalig erfolgte digitale Erfassung der kulturhistorischen Sammlung von Bernhard Winter.

In beiden Forschungsschritten wurden konkrete Hinweise und auch potentiell relevante Daten in digitalen Verzeichnissen dokumentiert, so dass im Falle weitergehender Untersuchungen und neuer Erkenntnisse darauf zurückgegriffen werden kann.

Im Laufe des Projekts wurde in drei Einzelfällen tiefergehend recherchiert, die jeweils den Verdacht auf einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund nahelegen. Die Recherchen und Ergebnisse, so hat sich gezeigt, gehen in zwei Fällen über die ursprüngliche Fragestellung des Projekts nach sogenanntem „Hollandgut hinaus.

Einen Anfangsverdacht begründet ein Brief mit einer Schmucksendung an Bernhard Winter. Der Gold- und Silberschmied Friedrich Byl aus Leer übersendet am 20.06.1934 ein vom Künstler bestelltes traditionelles Silberarmband, das in der Firma Byl „zur Ablieferung gekommen sei. Da etwa 35 jüdische Einwohner die Stadt Leer bereits in den Jahren 1933 und 1934 verließen, um im Ausland oder in deutschen Großstädten vor den Repressalien der Nationalsozialisten Zuflucht zu suchen, stellt sich die Frage, ob im Falle dieses Schmuckstückes ein NS-verfolgungsbedingter Hintergrund vorliegt. Die Objektidentität des besagten Silberarmbands kann innerhalb der Sammlung und anhand der Quellen jedoch zurzeit nicht sicher bestimmt werden. Ein Verbleib der Geschäftsunterlagen der Leeraner Firma Byl konnte bisher nicht ermittelt werden. Nach heutigem Kenntnisstand bleibt es im Falle des fraglichen Schmuckstücks daher bei einem Anfangsverdacht.

Eine private Aufzeichnung von Martha Winter gibt Anlass zu einem zweiten Verdacht, der unmittelbar zu dem Themenkomplex „Hollandgut führt. Am 25.10.1942 notiert sie Bernhard Winters Verlust eines Herrenschirmes. Herr Wächter aus Rastede habe mit einem Stockschirm helfen können, welchen er „als Kaufmann […] mal zurückbehalten hatte. In den einschlägigen Kriegsjahren 1942 bis 1944 war das Kaufhaus Wächter in Rastede einer der Orte, an dem das sogenannte „Hollandgut zur öffentlichen Verteilung kam. Durchaus anzunehmen ist daher, dass der „zurückbehaltene Stockschirm aus den national-sozialistischen Raubgutbeständen stammte, die im Rahmen der sogenannten „M-Aktion aus den besetzen Ländern über die Hollandroute in das Oldenburger Land transportiert wurden. Im Bernhard Winters Nachlass, der ursprünglich auch vielerlei alltäglichen Hausrat umfasste, ist der besagte Stockschirm zurzeit nicht zu identifizieren.

Eine dritte Spur führt zu einem dringenderen Verdacht und unerwartet zu einem frühen Hauptwerk des Künstlers Bernhard Winter selbst. Es handelt sich um das Genrebild „Die Webstube, welches 1898 auf der großen Berliner Kunstausstellung erfolgreich verkauft worden war. Den Tagebuchnotizen von Martha Winter ist zu entnehmen, dass dieses Gemälde „aus dem jüdischen Besitz Dr. Goldmann, Berlin (der nach Paris verzogen war) im Jahr 1934 bei dessen Oldenburger Verwandten Berg-Steintahl [richtig: Steinthal, Anm. d. Verf.] erneut zum Verkauf stand und bei dieser Gelegenheit von der Stadt Oldenburg zu einem „billigen Preis erworben wurde. Das Kunstwerk befindet sich allerdings nicht in der Sammlung des Stadtmuseums, sondern im Bestand des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Aus diesem Grunde wurde eine enge Kooperation beider Museen zur Aufklärung des komplexen Sachverhalts ins Leben gerufen. Bei der Erforschung einer lückenlosen Provenienz des Gemäldes bis zum fraglichen Verkauf im Jahr 1934 konnten wichtige Dokumente im schriftlichen Nachlass von Bernhard Winter gefunden, ausgewertet und dem Landesmuseum Oldenburg übermittelt werden. Sie enthalten erste wesentliche Hinweise für die weiteren, noch folgenden Untersuchungen.

Im Rahmen eines Überblicks über die Provenienzforschung im Nordwesten ist in den jährlich erscheinenden „Nachrichten des Marschenrates zur Förderung der Forschung im Küstengebiet der Nordsee ein Arbeitsbericht über die laufende Forschung im Stadtmuseum Oldenburg erschienen (Heft 53/2016, S. 89-92).

Auf der Konferenz „Provenienzforschung im Nordwesten im Museumsdorf Cloppenburg (15.03.2016) wurde das abgeschlossene Forschungsprojekt einem größeren Fachpublikum vorgetragen.

Das Stadtmuseum Oldenburg ist Mitglied im Netzwerk Provenienzforschung in Niedersachsen.

(c) Stadtmuseum Oldenburg