Die Sammlung des Deutschen Jagdmuseums unter der Leitung von Christian Weber – Institutionelle Netzwerke und personelle Verflechtungenzwischen 1938 und 1945

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Deutsches Jagd- und Fischereimuseum
Bundesland:
Bayern
Ansprechpartner:
Christine Bach M.A.

PositionWissenschaftliche Mitarbeiterin für Provenienzforschung

Tel.+49 (0)89 22 05 22

E-Mailchristine.bach@jagd-fischerei-museum.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Das Projekt hat zum Ziel, Provenienzforschung am Deutschen Jagd- und Fischereimuseum in München zu leisten und orientiert sich dabei an den Ergebnissen des Erstcheck-Projekts der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, das in 2016 und 2017 durchgeführt wurde.

Das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum ist eine NS-Neugründung, die 1938 von Hitlers Duzfreund und Vorsitzenden des Münchner NS-Stadtrates Christian Weber initiiert und aufgebaut wurde. Aufgrund seiner Ämterfülle konnte Weber die Sammlung des Museums willkürlich bereichern. Es ist deshalb wichtig herauszufinden, ob und welche Objekte von ihm geraubt worden waren und ob er diese Objekte für sich selbst oder für die Sammlung des Museums nutzte sowie ob sich diese Stücke auch heute noch im Museumsbestand befinden.

Der Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 erleichterte das Vorhaben zur Errichtung eines Jagdmuseums, das insbesondere von zwei Personen verfolgt wurde: Hermann Göring und Christian Weber. Beide Akteure verfolgten jeweils eigene Pläne für ein Jagdmuseum, Göring in Berlin und Weber in München. Trotz seiner im Verhältnis zu Göring weitaus geringeren politischen Stellung gelang es Weber durch Nutzung seiner engen Beziehungen zu Adolf Hitler und weiterer prominenter Förderer das Museum für München zu sichern. Noch 1934 wurde, ebenso gegen Görings Willen, der Verein Deutsches Jagdmuseum gegründet. Viele der Mitglieder stammten aus der nationalsozialistischen Partei-Elite oder deren unmittelbaren Umfeld. Mitglieder waren unter anderem der Münchner Oberbürgermeister Karl Fiehler, der Bankier August von Finck und der Gauleiter Adolf Wagner.

Nachdem Christian Weber als Standort für das Jagdmuseum den Nordflügel des Schlosses Nymphenburg auserkoren hatte, wurden 1937 der dort beheimatete Schwesternorden „Englische Fräulein größtenteils enteignet. Am 16. Oktober 1938 wurde das neue Jagdmuseum eröffnet und bot so den Jagdfunktionären, Weber und anderen Parteieliten die Möglichkeit sich groß zu inszenieren.

Fest steht, dass der Großteil der gesamten Sammlung des Hauses aus den verschiedensten Quellen erworben wurde. In den Wirren des Krieges und der Nachkriegszeit kam es zu Plünderungen und nicht näher zu beziffernden Objektverlusten, zum Großteil im Zuge der amerikanischen Besetzung. Am 10.10.1945 wurde das Jagdmuseum durch die amerikanische Militärregierung per Dekret aufgelöst und die Kunstgegenstände wurden zum Collecting Point in München (CCP) verbracht.

Das Forschungsprojekt verspricht einerseits die Herkunft von Sammlungsstücken zu klären, also eine systematische Bestandsüberprüfung durchzuführen. Andererseits wird mit einer deduktiven Vorgehensweise kontextuell gearbeitet: durch Archivmaterial konnten Objekte als eindeutig belastet identifiziert werden, bei denen aber unklar ist, ob sie sich auch heute noch in der Sammlung befinden. Insgesamt sind in der Sammlung des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums 156 Objekte identifiziert worden, deren Provenienz möglicherweise belastet ist und die NS-verfolgungsbedingt entzogen worden sein können. Einerseits sind diese Objekte von den Alliierten in den CCP gebracht worden, um ihre Provenienz genauer zu untersuchen. Und andererseits sind es Objekte, die nicht im CCP waren, sich aber heute im Museumsbestand befinden und aufgrund ihrer Gattung, des Künstlers oder des Entstehungszeitraums bedenklich sind. Von den 156 Objekten werden im Projekt etwa 40 Gemälde, 20 kleinformatige Skulpturen bzw. Plastiken, rund 85 Druckgraphiken und Zeichnungen, 10 Wandbehänge sowie ein Tisch beforscht. Hinzu kommen diverse Waffen und Porzellane respektive Geschirr, zu denen Hinweise gefunden wurden („diverse Waffen als Sachstiftung der Geheimen Staatspolizei im Wert von 1.942 RM im Jahr 1941 oder „Frühstücksservice 1938 bei Adolf Weinmüller erworben) aber über die aktuell keine konkrete Anzahl aufgeführt werden kann. Unter den Objekten befinden sich viele Parteistiftungen (Reichsschatzmeister, Himmler als Reichsführer SS, Göring, Gestapo) ungeklärter Provenienz. Diese Angaben stammen aus der CCP-Datenbank und aus Unterlagen im Münchner Stadtarchiv. Die Schenkung des Reichsschatzmeisters vom August 1941 beispielsweise besteht aus fast 60 Radierungen des Künstlers Johann Elias Ridinger, von denen unklar ist, woher sie stammen. Gleiches gilt für die Einlieferung der Technischen Polizeischule Berlin aus dem Jahr 1940 oder der Gewerbebank Ulm vom November 1938.

Darüber hinaus ist auffällig, dass die Sammlung auch während des Krieges erheblich weiterwuchs. Viele Werke stammen aus Frankreich, den Niederlanden oder Belgien, die seit 1940 von der Wehrmacht besetzt und ein regelmäßiges Dienstreiseziel Webers waren. Das Deutsche Jagdmuseum bereicherte sich darüber hinaus auch immer wieder am lokalen Kunstraub und stand in Geschäftsbeziehungen mit den umsatzstärksten NS-Händlern: es kaufte u.a. beim Auktionshaus Adolf Weinmüller und beim Wiener Dorotheum neue Sammlungsstücke preiswert ein.

Mit dieser Grundlage können weitere Projekte konkretisiert werden, die einen Schwerpunkt auf die Provenienz kulturhistorischer Objekte (z.B. Jagdwerkzeug) und kolonialzeitlicher Ethnographica (z.B. Jagdwaffen und Tierpräparate) legen.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden 2025 in einer Sonderausstellung mit Begleitbroschüre präsentiert.

(c) Deutsches Jagd- und Fischereimuseum