Ermittlung von NS-Raubgut in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn
Tobias Jansen, M.A.
Tel.0228 73 37 81
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Die im Jahr 1818 als zentrale Bibliothek der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität gegründete Bonner Universitätsbibliothek erhielt bereits kurz nach ihrem Entstehen, im Jahr 1825, das Pflichtexemplarrecht für die weitläufige, rund 25.000 Quadratkilometer umfassende preußische Rheinprovinz. Durch Kriegseinwirkungen verlor sie im Jahr 1944 etwa 160.000 bis 180.000 Bände.
Das Projekt dient, aufbauend auf einer Reihe von Vorarbeiten, der erstmaligen systematischen Ermittlung von NS-Raubgut in den umfangreichen Altbeständen der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. Zunächst werden dazu in einem ersten Schritt die Akzessionsjournale der (Haushalts-)Jahre 1932/33 bis einschließlich 1950 durchgesehen und hieraus ersichtliche Verdachtsfälle in einer projektinternen Datenbank verzeichnet. Als nachteilig erweist sich dabei jedoch, dass die Journale der Jahre 1940 (Frühjahr) bis 1944 (Herbst) sowie auch die dieselbe Zeit betreffenden und als Quellen für das Projekt unerlässlichen Altakten und Briefjournale bei der Bombardierung Bonns am 18. Oktober 1944 vernichtet wurden. Sie hatten sich als noch laufend benötigte Unterlagen im Geschäftszimmer der Bibliothek befunden. Nichtsdestotrotz werden insgesamt 67.132 Erwerbungsvorgänge (29.604 der NS-Zeit, 1.739 der Jahre 1944 bis 1946, 35.789 der Nachkriegszeit bis 1950) einer eingehenden Analyse unterzogen. Verschiedene Schritte dienen dazu, eine dem Maß der erhaltenen Bestände entsprechende bestmögliche Recherche zu gewährleisten.
In einem zweiten Schritt werden die aus den Akzessionsjournalen erschlossenen Verdachtsfälle anhand der physisch erhaltenen Bibliotheksaltbestände auf Provenienzmerkmale überprüft; auch die hier erzielten Ergebnisse werden in der projektinternen Datenbank fixiert. Nach demselben Verfahren wird darauffolgend der trotz Kriegseinwirkung noch 12.000 Bände umfassende Bestand ‚Staatswissenschaften (Signatur ‚K) einer eingehenden Autopsie unterzogen. Mittels dieser Überprüfung am physischen Bestand sollen nicht aus den Akzessionsjournalen hervorgehende Verdachtsfälle ermittelt und somit die Lücke des Kriegsverlusts bei den Findmitteln für die Jahre 1940 bis 1944 bestmöglich geschlossen werden. Ergänzend werden auch die in den Jahren 1933 bis 1950 zum Bestand der Handschriften und Inkunabeln hinzugekommenen Stücke auf ihre Provenienzmerkmale hin überprüft.
In der ersten Verlängerungsphase soll einerseits die autoptische Untersuchung verdächtiger Bestände auf die circa 15.000 Bände umfassende Gruppe 'Fc' ('Französische Literatur') ausgedehnt werden. Andererseits sollen vor allem die Tiefenrecherche der bislang ermittelten hohen Zahl an Einzelprovenienzen fortgeführt und die pandemiebedingt bislang noch nicht möglichen Arbeiten, insbesondere Archivreisen, nachgeholt werden.
In der zweiten Verlängerungsphase 2024/25 liegt der Fokus nach wie vor auf der Tiefenrecherche anhand der bisher dokumentierten Objekte und den damit verknüpften Verdachtsfällen. Die Ergebnisse der Analyse der Teilbestände 'K' und 'Fc' werden in den größeren Zusammenhang des zeitgenössischen Umgangs der Bibliothek mit NS-Verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut gestellt.
Der nächste Arbeitsschritt umfasst die Recherche der für die Raubgutverdachtsfälle ermittelten Vorbesitzer*innen Einzelpersonen, Gruppen sowie auch Körperschaften ; die Dokumentation ihrer Schicksale sowie sofern möglich die Ermittlung von Erb*innen oder Rechtsnachfolger*innen. Ziel ist hier die möglichst weitreichende Klärung der Umstände der Akzession, welche die betreffenden Bücher letztendlich in die Bestände der Universitäts- und Landesbibliothek gelangen ließen, und in letzter Konsequenz die Restitution verfolgungsbedingt entzogener Bestände. Die Ergebnisse des Projekts sollen publiziert werden.
(c) Universitäts- und Landesbibliothek Bonn