Erst-Check in drei Museen und Kultureinrichtungen – ein Pilotprojekt zur Provenienzforschung in Ostfriesland

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Ostfriesische Landschaft
Bundesland:
Niedersachsen
Ansprechpartner:
Dr. Nina Hennig

PositionLeiterin Museumsfachstelle/Volkskunde

Tel.04941 - 1799-50

E-Mailhennig@ostfriesischelandschaft.de

Lennart Gütschow

PositionProjektbearbeiter

E-Mailprovenienzforschung@heimatmuseum-leer.de

Projekttyp:
Kurzfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Der Erstcheck wurde vom 1. August bis Ende November 2017 in drei ostfriesischen Kultureinrichtungen durchgeführt: der Ostfriesischen Landschaft in Aurich, dem Heimatmuseum Leer und dem Heimatmuseum Rheiderland in Weener.

Die Initiative für das Projekt kam vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, dem Netzwerk Provenienzforschung in Niedersachsen und der Ostfriesischen Landschaft als Antragstellerin und Projektteilnehmerin sowie den beiden genannten ebenfalls teilnehmenden Museen.

Im Rahmen des Erstcheckprojekts sollte geklärt werden, ob es einen Verdacht auf unrechtmäßigen Erwerb von Objekten seitens der Einrichtungen gab, wobei ein besonderer Blick auf der Zeit zwischen 1933 und 1945 lag. Dafür wurden neben den Objekten und ihren eventuellen Provenienzhinweisen die Akten und weitere Datenbestände der drei beteiligten Häuser wie Eingangsbücher, Inventarkarteien, EDV-Inventarisierungen oder andere Inventarlisten und Schriftverkehr gesichtet. Hinzu kamen Aktenbestände des Niedersächsischen Landesarchivs an seinen Standorten Aurich und Hannover sowie des Stadtarchivs Leer.

Verdächtige Objekte sowie solche mit unklarer Provenienz, vor allem aus der NS-Zeit, aber auch spätere Zugänge, wurden dokumentiert. Ein Anschlussprojekt könnte die Befunde zu den dabei als belastet oder bedenklich identifizierten Objekte klären bzw. eine angemessene weitere Vorgehensweise eruieren (Restitution, Veröffentlichung in der Lost Art-Datenbank o.ä.).

Das Hauptaugenmerk der Recherche lag aufgrund der Ausrichtung der drei teilnehmenden Institutionen auf Objekten der ostfriesischen Wohnkultur, die sowohl in beiden Heimatmuseen als auch in den Räumen der Ostfriesischen Landschaft einen deutlichen Schwerpunkt bilden. Daneben wurden, wo möglich auch die jeweiligen Bestände an ostfriesischem Hausrat sowie an Gold- und Silbergegenständen aus lokaler bzw. regionaler Herstellung überprüft. Ein Großteil der Zugänge wurde nicht zeitnah verzeichnet, manche gar nicht, was auch für den Vorgang von Ankäufen gilt. Die Kunst- und Gemäldesammlungen konnten, da sie relativ gut dokumentiert sind, innerhalb des Erstcheckprojekts erst einmal vernachlässigt werden, was nicht bedeutet, dass sie bei einer tiefergehenden Recherche nicht auch Beachtung finden sollten. Die Bibliotheken der drei Häuser mussten aufgrund ihres Umfangs die der Ostfriesischen Landschaft bspw. hat den Status einer Landesbibliothek mit einem Bestand von über 100.000 Bänden außeracht gelassen werden.

Ostfriesland im Grenzgebiet zu den Niederlanden befand sich im bevorzugten Absatzgebiet Weser-Ems für die sogenannten „Hollandmöbel-Aktionen, bei denen Möbel und anderer Hausrat aus Haushalten in den besetzten Gebieten Westeuropas über die Niederlande und auch direkt aus den Niederlanden ins Reichsgebiet abtransportiert und dort über öffentliche Auktionen z.T. unter Wert an deutsche Interessenten veräußert wurden. In mehreren ostfriesischen Städten können entsprechende Auktionen durch Annoncen in den lokalen Zeitungen nachgewiesen werden; für einige Orte außerhalb Ostfrieslands sind Auktionslisten überliefert, wie das Provenienzforschungsprojekt des Niedersächsischen Freilichtmuseums Cloppenburg ergeben hat. Es ist möglich, dass Objekte auf diesen Auktionen direkt für museale Zwecke angekauft wurden oder private Käufer ihre ersteigerten Gegenstände später auch an die ostfriesischen Museen gaben.

Im Heimatmuseum Rheiderland wurde ein belastetes Objekt dokumentiert, in allen drei Einrichtungen Objekte mit bedenklicher Provenienz. Der eindeutig belastete Schrank aus dem Heimatmuseum Rheiderland trägt auf seiner Inventarkarte den Hinweis „Überweisung aus Sammelauktion 1939. Das angegebene Datum ist für die „Hollandmöbel-Aktionen zu früh, kann jedoch auf Enteignungen jüdischer Haushalte nach den Pogromen 1938 hinweisen. Ein weiterer Schrank ist mit dem Hinweis „Materialsammlung jedoch undatiert. Im Heimatmuseum Leer ist die Herkunft eines Tisches genauer zu klären, der aus dem Besitz der dortigen Loge stammen könnte, die während der NS-Zeit zwangsaufgelöst wurde sowie die Provenienz einiger Stühle, die von der Vorbesitzerfamilie während der NS-Zeit angeschafft worden sein sollen. In der Ostfriesischen Landschaft ist ein Zugang aus dem Jahr 2009 (Anrichte, Halbkastenuhr, Truhe, Tisch, sechs Stühle) verdächtig, zu dem die Vorbesitzerin anmerkte, dass ihr Vater die Möbel 1936 von einer jüdischen Familie kaufte, die vor der Emigration stand. Zu überprüfen sind weiterhin acht Objekte, überwiegend Möbel, die laut Inventarlisten zwischen 1937 und 1951 in den Besitz der Landschaft gekommen sind, für die aber bisher keine weiteren Informationen vorliegen.

Ein Teil der verdächtigen Objekte ist während der NS-Zeit in die untersuchten Einrichtungen gelangt ein, evtl. auch ein zweiter Schrank in das Heimatmuseums Rheiderland, ggf. der Tisch in das Heimatmuseum Leer ein Teil erst in der jüngsten Vergangenheit, wie z.B. die Möbelschenkung an die Ostfriesische Landschaft im Jahr 2009. Alle bedürfen einer weiteren genaueren Untersuchung. Der Anteil an Objekten mit unklarer Provenienz bzw. unzureichender Dokumentation ist in allen drei Einrichtungen hoch. Auch hier könnten weitergehende Untersuchungen mehr Aufschlüsse geben.

(c) Ostfriesische Landschaft