Erstcheck Sammlungsobjekte aus kolonialem Kontext

Förderbereich:
Koloniale Kontexte
Zuwendungs­empfänger:
Staatliche Schlösser und Gärten Hessen
Bundesland:
Hessen
Ansprechpartner:
Dr. Stefan L. Smith

E-Mailstefan.smith@schloesser.hessen.de

Ursula van Meter

E-MailUrsula.vanMeter@schloesser.hessen.de

Dr. Katharina Bechler

E-MailKatharina.Bechler@schloesser.hessen.de

Projekttyp:
Kurzfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Das Brentanohaus in Oestrich-Winkel wurde 2014 vom Land Hessen von den letzten Eigentümern Baron Udo und Baronin Angela von Brentano erworben, nachdem es über 200 Jahre ununterbrochen in Familienbesitz war. Seitdem wird es von den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen verwaltet.

Betrieben wird es von einer gemeinnützigen Trägergesellschaft, die zu gleichen Teilen von der Stadt Oestrich-Winkel und dem Freien Deutschen Hochstift gebildet wird.

Der Kontext dieses Gutes besteht grundsätzlich aus Literatur und Kunst der Romantikzeit, jedoch bildet ein Schrank – der sogenannte Ägyptische Schrank“ – welcher mit süd- und außereuropäischen Objekten gefüllt ist, eine bedeutende Ausnahme. Es handelt sich hierbei um eine extrem heterogene Sammlung von 116 Objekten, welche Großteils aus Ägypten, Vorderasien und Afrika zu stammen scheinen, und vorwiegend als Reisemitbringsel der Brentano-Familie zu interpretieren sind. Durchgemischt sind zeitgenössische Souvenirs sowie offensichtlich antike Gegenstände aufzufinden. Die Aufgabe dieses Projekts besteht darin, die Objekte detailliert zu dokumentieren, sie geografisch und zeitlich einzuordnen und soweit wie möglich ihre Besitz- und Transportwege nach Oestrich-Winkel zu rekonstruieren. Dabei wird auch erwägt, das eventuelle Vorhandensein von illegal gehandelten Objekten zu klären, welche in früheren Zeiten einen wesentlichen Bestandteil der „Souvenirs“ aus diesen Weltregionen ausmachte.

Die Objekte bestehen aus Statuen/Statuetten, Öllampen, Schmuck, Kleidungsstücken, Pergamenten, Keramiken, Waffen, Münzen, Knochen und pflanzlichem Material. Es gibt auch einige mumifizierte Überreste, worunter sich das wohl heikelste Objekt der Sammlung befindet: eine kleine, wahrscheinlich menschliche Hand. Diese ist in einem restaurierungswürdigen Zustand, da die Mumifizierung nur noch zur Hälfte intakt ist. Die Erforschung dieses Objekts muss natürlich mit großer Vorsicht angegangen werden – sowohl praktisch gesehen (eine Stabilisation in situ ist erforderlich) als auch kulturell sensibel.

Eine kurze Erstbesichtigung des Ägyptischen Schranks“ im Rahmen dieses Projekts lässt schon manches zu bestimmten Objekten sagen. So ist zum Beispiel das Oberteil eines bemalten hölzernen ägyptischen Sarkophags vorhanden, der in die vorchristliche Zeit zu datieren ist. Bemerkenswert ist, dass die Trennung dieses Oberteils vom restlichen Objekt dagegen relativ jung wirkt. Auch dieses Artefakt befindet sich in einem schlechten Zustand; die Bemalung bedarf umgehend einer Restaurierung. Ein kleiner Dolch, welcher auf einem beigefügten Etikett als „Islamisches Brotmesser“ mit „Arabischer“ Schrift bezeichnet wird, zeigt in Wahrheit eine noch unbestimmte Schrift auf, die möglicherweise einer frühnordarabischen Sprache zuzuweisen ist, und daher höchstwahrscheinlich älter ist als der Islam. Auch fünf der sechs Münzen aus der arabischen Welt konnten anhand ihrer Inschriften datiert werden. Sie wurden alle zwischen 1808 und 1839 AD (1223-1255 H) geprägt; dies entspricht im Osmanischen Reich der Herrschaftszeit Mahmud II.

Die Dokumentation dieser Objekte soll neben Fotos und Beschreibungen auch mittels Laserscanner erschaffene 3-D Modelle umfassen, welche sowohl der Recherche dienen als auch zur Vermittlung an ein breites Publikum genutzt werden sollen. Des Weiteren wird der dreidimensionale Ausdruck dieser Modelle angestrebt, um physische Objekte zu schaffen, welche als Lehrmittel dienen könnten. Mit diesen Hilfsmitteln können Objekte einfach und schnell mit Kolleg*innen aus den relevanten Ländern bei den geplanten ersten Kontakten digital geteilt werden.

Gleichzeitig zur vollständigen Dokumentation der Artefakte besteht die weitere Arbeit darin, die Archive der Brentano-Familie zu untersuchen und Indizien auf die Provenienz einzelner oder mehrerer Objekte hervorzuheben. Es handelt sich hierbei um Reisetagebücher, Fahrkarten, Fotos, Postkarten, usw., die inzwischen an mindestens vier verschiedenen Orten aufbewahrt werden. Somit hoffen wir, bei zumindest einigen der Objekte einen kompletten Provenienzverlauf zu rekonstruieren. Die geplanten Vorträge zur Veröffentlichung dieser Resultate werden gezielt innerhalb der „Diaspora-Communities“ im Frankfurter Raum verbreitet sowie mögliche Online-Zuschaltungen von Forschungsinstituten aus den relevanten Ländern beinhalten.

© Staatliche Schlösser und Gärten Hessen