NS-Raubgutforschung in der Forschungsbibliothek des Herder-Instituts. Untersuchung des von der ehemaligen Publikationsstelle Berlin-Dahlem stammenden Teilbestandes

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Herder-Institut für Historische Ostmitteleuropaforschung - Institut der Leibniz-Gemeinschaft
Bundesland:
Hessen
Ansprechpartner:
Dr. Jürgen Warmbrunn

PositionProjektleitung

E-Mailjuergen.warmbrunn@herder-institut.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Seit langem gilt es als wahrscheinlich, dass sich in dem 1964 vom Herder-Institut übernommenen Buchbestand der ehemaligen Publikationsstelle Berlin-Dahlem NS-Raubgut befindet. Die Ergebnisse der 2008 von David Zimmer an ca. 350 ausgewählten Bänden durchgeführten Forschungen erhärteten diese Vermutung. Bereits 1994 waren 212 Bände mit ukrainischen Besitzstempeln an die Ukraine zurückgegeben worden. 2016 wurde schließlich ein Forschungsprojekt zur Untersuchung des gesamten seinerzeit eingegangenen Bestandes in die Wege geleitet, in dessen Verlauf die Vorbesitzer im Einzelnen festgestellt, die betroffenen Exemplare im OPAC verzeichnet und unrechtmäßig im Herder-Institut befindliche Bücher, Broschüren und Zeitschriften an die Erben bzw. Rechtsnachfolger der Beraubten restituiert werden sollen. Das Projekt ist Teil der von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vorangetriebenen Provenienzforschung in Museen, Bibliotheken und Archiven zur Ermittlung von unrechtmäßig erlangtem Kulturgut.

Die Publikationsstelle Berlin-Dahlem wurde 1931 von dem deutschnational gesinnten Generaldirektor der preußischen Staatsarchive Albert Brackmann als Publikationsfonds gegründet. Sie war zunächst am Preußischen Geheimen Staatsarchiv angesiedelt und fungierte als Geschäftsstelle der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft. Während der NS-Zeit half sie, mit einer völkischen Argumentation die Herrschaftsansprüche des Deutschen Reichs zu untermauern. So lieferten die Mitarbeiter der Publikationsstelle u.a. Kartenmaterial für die Ausarbeitung des Generalplans Ost. Im Spätwinter 1945 flohen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor der sowjetischen Armee aus Bautzen, wo sie eine Ausweichstelle unterhielten, nach Coburg. Mit ihnen gelangten Akten und ein großer Teil der Bibliothek in die amerikanische Besatzungszone.

Vor allem während der Kriegsjahre verzeichnete die Bibliothek der Publikationsstelle Berlin-Dahlem einen rasanten Zuwachs. Die Publikationsstelle nutzte ihre relativ prominente Stellung in der Hierarchie des NS-Regimes, um in den Besitz von in Deutschland beschlagnahmter und in den besetzten Gebieten geraubter Literatur zu gelangen. Durch die Gestapo erhielt sie Broschüren aus dem Eigentum aufgelöster sorbischer Vereine und des Bundes der Polen in Deutschland. Das Auswärtige Amt gewährte ihren Mitarbeitern Zugang zu den von ihm vereinnahmten Buchbeständen des Tschechoslowakischen Außenministeriums, der tschechoslowakischen Gesandtschaften und Konsulate und überließ der Publikationsstelle durch seinen Geographischen Dienst geraubte Literatur aus Osteuropa. Mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg teilte sich die Publikationsstelle Berlin-Dahlem die ‚Auswertung der Bibliothèque Polonaise, die im 19. Jahrhundert von polnischen Emigranten in Paris begründet und vom ERR geraubt worden war.

Nach der Durchsicht von ca. 3.000 ‚PuSte-Dubletten im Magazin der Forschungsbibliothek und aufgrund der in den Akten im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde enthaltenen Korrespondenz zwischen der Publiakationsstelle und anderen Institutionen des NS-Regimes Raubgut lässt sich bereits jetzt Raubgut in erheblichem Umfang zweifelsfrei identifizieren.

(c) Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung