Provenienzforschung Neuerwerbungen Museumsberg Flensburg ab 1933

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Museumsberg Flensburg
Bundesland:
Schleswig-Holstein
Ansprechpartner:
Madeleine Städtler M.A.

PositionProvenienzforschung

Tel.+49 (0) 461 85 4211

E-MailStaedtler.Madeleine@Stadt.Flensburg.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Der Museumsberg Flensburg wurde als Kunstgewerbemuseum bereits 1876 gegründet und ist seit 1903 in dem historistischen Museumsgebäude auf der Westlichen Höhe Flensburgs beheimatet. Nach 1918 kamen die Sammelgebiete Kunst- und Kulturgeschichte hinzu. Direktor Fritz Fuglsang (Amtszeit 1928-1961) sammelte auch während der NS-Zeit gezielt weiter. Wie die bereits bekannten Beispiele der Sammlungen Teppich und List zeigen, war ihm die Provenienz der Werke aus jüdischem Besitz gleichgültig. Da er nur über sehr begrenzte Mittel verfügte, waren die meisten Neuerwerbungen der Jahre 1933 bis 1945 Schenkungen oder Ankäufe bei Flensburger Privatpersonen. Ab 1937 fallen jedoch eine Reihe Ankäufe ungewöhnlich wertvoller Objekte oder Sammlungen bei Kunsthändlern in Berlin, Leipzig, Hamburg, Kiel oder anderen Großstädten auf, darunter mehrere Konvolute von Zeichnungen Alter Niederländer. Fuglsang tätigte auch Ankäufe in den besetzten Gebieten. Ab 1943 war die Sammlung ausgelagert, Kriegsverluste wurden bei der Inventur 1947 jedoch kaum festgestellt.

Im Zuge der Erstellung mehrerer Sammlungskataloge sowie der laufenden Digitalisierung im Projekt DigiCult wurden Teilbestände untersucht. Dabei war die Provenienz der Objekte jedoch bislang nicht im Fokus. Um ihrer Verantwortung hinsichtlich der Umsetzung der »Grundsätze der Washingtoner Konferenz« sowie der »Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes« nachzukommen, unterzog die Stadt Flensburg die fraglichen Bestände ihrer Sammlung einer umfassenden, systematischen Prüfung. Im Rahmen eines zunächst auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojektes sollten dazu die Provenienzen relevanter Objekte erforscht und anschließend veröffentlicht werden. Der Fokus lag auf den Erwerbungen und Schenkungen während der NS-Zeit.

Die wissenschaftliche Untersuchung aller nach einem Erstcheck als verdächtig eingestuften Erwerbungen aus den Jahren 1933-1945 (insgesamt 44) ergab nach dem Ampelprinzip eine Verteilung von 11 grünen, 5 gelben, 27 orangen Fällen und einem roten Fall. Zwei aufgearbeitete Fälle waren bereits vor der systematischen Erforschung der Provenienzen bekannt: die Erwerbung der 700-teiligen Sammlung des Kaufmanns jüdischer Abstammung Leopold Teppich ist eindeutig als unrechtmäßig entzogenes Kulturgut zu bezeichnen. Der rechtmäßige Erbe der Eigentümerin erhielt hierfür 1952 eine Ausgleichszahlung. Außerdem wurde 2013 ein Glaspokal der Sammlung List, der 1939 bei Hans W. Lange in Berlin ersteigert wurde, an die Erbengemeinschaft List restituiert. Aufgrund neuer Erkenntnisse zur Veräußerung der Sammlung List muss die damalige Entscheidung für eine Restitution als vorschnell, jedoch auf den Unterlagen der fordernden Rechtsanwaltskanzlei begründet, eingeordnet werden.

Das Projekt endete mit der Ausstellung „Wem gehört die Kunst?, in der von März bis Juni 2019 die Ergebnisse dem breiten Publikum vorgestellt wurden. Der Fokus lag auf der Vermittlung der Inhalte des Projekts zu den Erwerbungen zwischen 1933-1945. Daneben war aber auch die Heranführung der Besucherinnen und Besucher an das komplexe Thema durch die Stichworte Raubkunst, diskriminierende Gesetzgebung, NS-Kunstmarkt und Methoden der Provenienzforschung sehr wichtig. Bewusst wurde das Ausstellungsbudget für Gestaltung und Produktion von Texttafeln eingesetzt, um die komplizierten Sachverhalte visuell ansprechend, aber auch einfach gegliedert darzustellen. Die Texttafeln wurden online publiziert, auf eine zusätzliche Publikation in Buchform wurde aus Kostengründen verzichtet. Durch die Ausstellungsarchitektur ließen sich einige Exponate beidseitig betrachten und anhand von Originaldokumenten sowie Hands On-Elementen konnten sich Interessierte selbst auf eine Spurensuche begeben. Dem Thema Provenienzforschung widmete zuvor kein schleswig-holsteinisches Museum eine Sonderausstellung. Der große Zuspruch von Kollegen anderer Institutionen für die transparente Darstellung unserer Forschung und Arbeitsweisen hat gezeigt, dass auch jenseits der Metropolen ein großes Interesse an der Aufarbeitung von NS-Raubkunst besteht.

(c) Museumsberg Flensburg