Provenienzforschung von zwei menschlichen Kehlkopf-Trockenpräparaten im Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin

Förderbereich:
Koloniale Kontexte
Zuwendungs­empfänger:
Humboldt-Universität zu Berlin. Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik. Humboldt-Labor
Bundesland:
Berlin
Ansprechpartner:
Johanna Stapelfeldt

E-Mailstapelfeldt@hu-berlin.de

Projekttyp:
Kurzfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Das Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin verfügt über eine akustische Sammlung in Form von ca. 7.500 Schellackplatten, Wachswalzen und Tonbändern. Sie enthalten unter anderem sensible Tonaufnahmen aus Kriegsgefangenenlagern des Ersten und Zweiten Weltkriegs in einer Vielzahl von Sprachen und Mundarten. Das Lautarchiv wird 2021 als einzige Sammlung der Humboldt-Universität in das Humboldt Forum umziehen, es wird in der Auftaktausstellung des Humboldt Labors ausführlich vorgestellt.

Bei der Sichtung von Beständen des Lautarchivs im Zuge der Ausstellungsvorbereitung fielen zwei menschliche Kehlköpfe auf: Humanpräparate mit ungeklärter Provenienz. Da im Kontext des Humboldt Forums besonders kontrovers über den Umgang mit Human Remains diskutiert wurde und wird und mit einem stark steigenden (Forschungs-)Interesse am Lautarchiv zu rechnen ist, hatte das Projekt zum prioritären Ziel, die Provenienz der Präparate zu klären. Laut Erstbegutachtung der Präparate durch Dr. Holger Stoecker, Experte für Provenienzfragen im kolonialen Kontext, erschien ein kolonialer Erwerbskontext plausibel. Seine Provenienzrecherche sollte die Erwerbsumstände und Forschungskontexte näher beleuchten. Zu diesem Zweck wurden die Auffindesituation der Präparate dokumentiert, die Präparate anatomisch und präparatorisch begutachtet und datiert, Archivbestände untersucht und Zeitzeugenbefragungen mit früheren Mitarbeiter*innen und kuratorisch Verantwortlichen des Lautarchivs durchgeführt.

Die Recherche erbrachte keine konkreten Nachweise auf die Herkunft der beiden Kehlköpfe. Institutionelle Strukturen, Forschungsansätze und personelle Vernetzungen machen jedoch ihre Herkunft aus dem Kolonialkrieg gegen die Herero und Nama 1904–1908, ihren Eingang in die Berliner Anatomie und ihre anschließende Migration in das heutige Lautarchiv plausibel. Klar ist, dass sich die beiden Präparate bereits in den 1930er Jahren im damaligen Institut für Lautforschung befanden, an dem zu dieser Zeit der Zusammenhang zwischen Stimme und „Rasse“, speziell im Hinblick auf südafrikanische Sprachen, ein Forschungsthema war. Weiteres Projektziel war neben einer Verifizierung bzw. Falsifizierung des Verdachtes auf einen kolonialen Erwerbskontext die Entwicklung von praxisorientierten und konkreten Handlungsempfehlungen in Form eines Leitfadens zum Umgang mit Human Remains aus kolonialen Kontexten in Sammlungen der Humboldt-Universität, der in enger Zusammenarbeit mit Mitarbeiter*innen des Lautarchivs erarbeitet wurde und an alle Mitarbeiter*innen der HU-Universitätssammlungen ausgegeben wird.

(c)  Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Humboldt-Labor