Themenorientierte Erschließung von Quellen zur Provenienzforschung in Baden und im Elsass

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Landesarchiv Baden-Württemberg, Generallandesarchiv Karlsruhe
Bundesland:
Baden-Württemberg
Ansprechpartner:
Dr. Martin Stingl

E-Mailmartin.stingl@la-bw.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Seit dem Zweiten Weltkrieg wird nach Kulturgut gesucht, das seinen rechtmäßigen Eigentümern durch Repressalien des NS-Regimes entwendet worden war. Die Regierungen des Bundes und der Länder sowie die Kommunen haben sich 1999 verpflichtet, ihre Bestände u.a. in Museen auf solche Raubgüter hin zu überprüfen. Die Bestände des Landesarchivs sind für diese Recherchen in doppelter Hinsicht einschlägig. Zum einen verwahrt es wichtige Bestände, die über den Kunstraub in Baden allgemein Auskunft geben und die unerlässliche Quellen für die Provenienzrecherchen anderer Kultureinrichtungen darstellen. Zum anderen war es aktiv an der „Sicherstellung“ von Kulturgut aus jüdischem Besitz in Baden und im benachbarten Elsass beteiligt.

Seit Mai 2015 wird in den Beständen des Generallandesarchivs Karlsruhe nach Dokumenten gesucht, die Informationen zu NS-Raubgut enthalten. Die ersten Ergebnisse sind im April 2016 in einem Online-Inventar Kunstraub und „Arisierung“ 1933-1945 zugänglich gemacht worden. Damit werden die Recherchen von Kulturgut verwahrenden Institutionen, vom Kunstraub betroffener Personen und Institutionen sowie des Kunsthandels nach archivischen Belegen über die Herkunft bzw. den Verbleib eines Objekts und der Nachweis von Plünderungen und Kunstraub während der Zeit des Nationalsozialismus erheblich unterstützt.

In dem Inventar sind 160 Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe mit Akten oder Aktenserien erfasst und beschrieben. Durchgesehen wurden dafür rund 6.100 lfd.m Archivgut.

Zusammen mit dem Online-Inventar Kunstraub und „Arisierung“ 1933-1945 (https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/inventar/startbild.php?inventar=arisierung ) wurde ein Rechercheführer Provenienzforschung im Generallandesarchiv Karlsruhe (http://www.landesarchiv-bw.de/web/61285 ) erarbeitet und ins Internet eingestellt.

Außer diesen übergreifenden Informationsangeboten wurden zwei der wichtigsten Einzelbestände des Generallandesarchivs Karlsruhe mit Quellen zum NS-Kunstraub eingehend themenbezogen erschlossen:

- die Überlieferung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe (Bestand 441-3), deren Leiter während der NS-Zeit unter anderem als Gutachter für „sichergestellte“ Kunstwerke fungierte, und

- die Akten des Schlichters für Wiedergutmachung (Bestand 276-1), der mit der Rückerstattung bzw. Entschädigung geraubter Vermögenswerte nach 1945 betraut war.

Damit ist es nun gezielter als es mit den sonst üblichen Erschließungsmethoden möglich, nach geraubten Kunstwerken, deren rechtmäßigen Eigentümern und nach den Profiteuren der „Arisierung“ zu suchen. Das Findmittel zur Staatlichen Kunsthalle ist im Internet frei zugänglich https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=50212 . Das Findmittel zu den Akten des Schlichters für Wiedergutmachung ist aus Gründen des Datenschutzes noch nicht freigegeben, weil es sich ausschließlich um personenbezogene Unterlagen zu Menschen handelt, deren Lebensdaten aus den Akten nicht ermittelbar sind; für registrierte Benutzer steht es aber im Generallandesarchiv online zur Verfügung.

Durch diese beiden Findmittel sind rund 200 Regalmeter Archivgut mit über 33.000 Akten detailliert erschlossen.

Zum zweiten Aspekt wurden in einem Projektteil systematisch sämtliche Zugänge an Archivgut während der NS-Zeit untersucht und die Zugänge zur Dienstbibliothek geprüft. Unter den 639 Archivgutzugängen der Jahre 1933-1945 wurden 45 Verdachtsfälle identifiziert. Die Grundlage für die Analyse dieser Verdachtsfälle bildete hauptsächlich die Überlieferung der am Vermögensentzug beteiligten staatlichen Dienststellen im Generallandesarchiv, die die Unterlagen seinerzeit an das Archiv abgeliefert hatten. Die ab 1933 erfolgten Archivgutzugänge aus nicht-staatlicher Hand, v.a. Ankäufe bei Auktionshäusern und Antiquariaten, waren demgegenüber aufgrund der Überlieferungslage sehr viel schwerer verifizierbar. Zahlreiche Anfragen bei anderen Archiven und Kultureinrichtungen waren erforderlich.

Für die umfangreiche Dienstbibliothek des Generallandesarchivs gestaltete sich die Recherche schwieriger als beim Archivgut, weil für die Zeit von 1940 bis 1944 kein Zugangsbuch mehr existiert und weil die Zugänge zur Bibliothek in den Verwaltungsakten des Archivs seinerzeit nur unzureichend dokumentiert worden waren.

Ein Großteil des unrechtmäßig erworbenen Archiv- und Bibliotheksguts ist offenbar 1950 abgegeben worden. Einzelne Stücke sind aber im Generallandesarchiv verblieben und sollen nun zurückgegeben werden, sofern rechtmäßige Eigentümer ermittelbar sind.

Als unrechtmäßig erworben und noch im Archiv verblieben wurden eine Urkunde, drei Akten und fünf Bücher des 18. bis 20. Jh. ermittelt. Bei einem Teil davon konnten die Eigentümer trotz intensiver Suche im Rahmen des Projektes nicht festgestellt werden. Diese Objekte sollen in die Lost Art-Datenbank aufgenommen werden.

(c) Landesarchiv Baden-Württemberg, Generallandesarchiv Karlsruhe

Veröffentlichungen:
Landesarchiv Baden-Württemberg: Inventar. Kunstraub und "Arisierung" 1933-1945.