Verdachtsmomente des „Heiligen“ – Objekte aus Australien in der Ethnologischen Sammlung Göttingen
Die Ethnologische Sammlung der Georg-August-Universität ist eine der bedeutendsten Lehr- und Forschungssammlungen im deutschsprachigen Raum. Ihre Anfänge gehen auf das 1773 gegründete Akademische Museum der Universität zurück. Seit 1928 wird Ethnologie (zunächst „Völkerkunde“) als eigenständige Disziplin in Göttingen unterrichtet. Ein Ordinariat besteht seit 1934.
Die Ethnologische Sammlung Göttingen hat im Rahmen einer Förderung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (KK_KU01_2020) im vergangenen Jahr Recherchen zu Tjurunga aus Australien ausgeführt. Äußerer Anlass dazu war eine Anfrage aus Australien (AIATSIS) im Jahr 2019. Sowohl bei den eigenen Recherchen als auch im Gespräch mit externen Expert*innen (u.a. Olaf Geerken, PAESE-Projekt) zeigte sich, dass eine Aufarbeitung der Objekte, die nach gegenwärtiger (= althergebrachter) sammlungsinterner Klassifizierung als „secret/sacred“-Objekte identifizierbar sind, nicht ausreichend ist. Die vorhandenen Einordnungen selbst müssen kritisch überprüft werden.
So fielen Objekte auf, die in der Sammlung als „Schwirrhölzer“ kategorisiert sind bzw. deren Zuschreibung im Laufe der Zeit wechselte. Bei den vorhandenen Schwirrhölzern scheint sowohl die Form als auch die ursprüngliche Nutzung mit den untersuchten Tjurunga übereinzustimmen. Das Problem uneindeutiger oder gar fehlerhafter Altkategorisierungen zeigte sich auch an anderer Stelle, weswegen weitere Objekte aus Australien, bei denen der Verdacht auf „Heiligkeit“ besteht – und damit einhergehend eine besondere Tabuisierung bestünde –, überprüft werden sollen. Hierzu zählen zwei „Botenstäbe“, von denen einer später auch als „Schwirrholz“ kategorisiert wurde, sowie eine Holzschnitzerei, die zumindest zeitweise als Aufenthaltsraum für einen Totengeist gedient haben soll.
Ziel des Projektes war es, vorhandene Zuschreibungen zu überprüfen und über Sammler*innenbiografien und Objektwege eine genauere Zuordnung zu erreichen. Die provenienzforschungsbezogene Aufarbeitung der genannten Objekte soll helfen, fundierte Informationen in den Dialog mit australischen Partnerinstitutionen einzubeziehen.
(c) Ethnologische Sammlung.