Dr. Michael Hering (links) im Gespräch mit dem Erben des Wiener Sammlers Richard Stein, Herrn Felix Bloch.
NS-Raubgut

Die Staatliche Graphische Sammlung München hat Rudolf von Alts „Häuser in Teplitz“ restituiert

Die Staatliche Graphische Sammlung München hat das Aquarell „Häuser in Teplitz“ von Rudolf von Alt an die Erben des ursprünglichen Eigentümers zurückgegeben.

Am 15. Oktober 2021 übergaben Kunstminister Bernd Sibler und der Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung München, Michael Hering, das Werk an den Vertreter der Erben des Wiener Sammlers Richard Stein, Herrn Felix Bloch. Dank ei­nes von der Ar­beits­stel­le für Pro­ve­ni­enz­for­schung in Ber­lin (heu­te: Deut­sches Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te, Mag­de­burg) ge­för­der­ten For­schungs­pro­jek­tes, das vom Mu­se­um ge­mein­sam mit dem Zen­tral­in­sti­tut für Kunst­ge­schich­te durch­ge­führt wur­de, konn­te die Pro­ve­ni­enz­ge­schich­te des Aqua­rells in al­len De­tails ge­klärt wer­den.

Be­reits 2015 hat­te die Staat­li­che Gra­phi­sche Samm­lung Mün­chen das Werk und sei­ne Ge­schich­te in der Aus­stel­lung „Ru­dolf von Alt …ge­ni­al, leb­haft, na­tür­lich und wahr. Der Münch­ner Be­stand und sei­ne Pro­ve­ni­enz“ in der Pi­na­ko­thek der Mo­der­ne vor­ge­stellt. Die Ver­su­che, Er­ben des Wie­ner Samm­lers Ri­chard Stein aus­fin­dig zu ma­chen, ver­lie­fen je­doch da­mals er­folg­los. 2018 mel­de­te sich dann ei­ne Pots­da­mer An­walts­kanz­lei im Na­men der Er­ben bei der Staat­li­chen Gra­phi­schen Samm­lung Mün­chen. Dar­auf­hin muss­ten nur noch die Erb­be­rech­ti­gun­gen ge­klärt wer­den. Ver­zö­gert durch die Co­vid-19-Pan­de­mie konn­te nun die Re­sti­tu­ti­on er­fol­gen.

Das Aqua­rell „Häu­ser in Tep­litz“ aus der Samm­lung Os­car Kolm wur­de von Ri­chard Stein ver­mut­lich 1937 er­wor­ben. Auf der Rück­sei­te des Blat­tes be­fin­den sich mit Blei­stift der Na­me Ri­chard Stein so­wie die da­ma­li­ge Wie­ner Adres­se der Fa­mi­lie. An dem ur­sprüng­li­chen Ei­gen­tum der Fa­mi­lie be­steht in­so­fern kein Zwei­fel. Die Ver­lu­s­tum­stän­de wer­den von Ri­chard Stein in sei­nen Aus­sa­gen im Rah­men des Rück­er­stat­tungs­ver­fah­rens in Ös­ter­reich um­fas­send dar­ge­stellt. So gab Ri­chard Stein zu Pro­to­koll, dass Frau Al­mas-Diet­rich, Kunst­händ­le­rin aus Mün­chen, ihm En­de April 1938 – ca. zwei Wo­chen nach Ein­marsch der deut­schen Trup­pen in Ös­ter­reich – auf­ge­sucht ha­be. Sie ha­be ihm mit­ge­teilt, dass sei­ne Ge­mäl­de be­schlag­nahmt wer­den sol­len. Durch ei­nen Ver­kauf kön­ne er die Ent­zie­hung ab­wen­den. In sei­ner Aus­sa­ge 1956 und 1958 nennt Stein die an Al­mas-Diet­rich ver­kauf­ten Wer­ke. Dar­un­ter drei Wer­ke von Ru­dolf von Alt un­ter an­de­rem ei­nes mit dem Ti­tel „Tep­litz“. Der von Al­mas-Diet­rich an­ge­bo­te­ne Kauf­preis stand in kei­nem Ver­hält­nis zu dem tat­säch­li­chen Wert der Bil­der. Viel­mehr ist zu ver­mu­ten, dass der Ver­kauf al­lein auf Grund der von Al­mas-Diet­rich vor­ge­täusch­ten Zwangs­la­ge er­folg­te. Ei­ne Re­sti­tu­ti­on konn­te im Rück­er­stat­tungs­ver­fah­ren nicht er­fol­gen, weil der ak­tu­el­le Stand­ort des Werks den Wie­ner Be­hör­den un­be­kannt war.

Bei Kriegs­en­de ge­hör­te das Werk nach­weis­lich zur Samm­lung Mar­tin Bor­mann. Der Reichs­lei­ter der NS­D­AP, Mar­tin Bor­mann (1900–1945) hat­te ab ca. 1938 ei­ne um­fang­rei­che Samm­lung von Wer­ken Ru­dolf von Alts zu­sam­men­tra­gen las­sen. Wahr­schein­lich woll­te er im Krei­se der NS­D­AP-Grö­ßen ne­ben Her­mann Gö­ring und Adolf Hit­ler selbst als Kunst­samm­ler in Er­schei­nung tre­ten. Er kon­zen­trier­te sich da­bei auf ei­nen Künst­ler, von dem er wuss­te, dass ihn Adolf Hit­ler am höchs­ten schätz­te. Da­bei war Frau Al­mas-Diet­rich nach­weis­lich als An­käu­fe­rin für ihn tä­tig. Das Aqua­rell muss zwi­schen 1938 und 1944 für sei­ne Samm­lung er­wor­ben wor­den sein. Die ge­nau­en Er­werb­sum­stän­de sind nicht mehr auf­klär­bar. Aus der Samm­lung Bor­mann ge­lang­te das Werk 1946 in den Cen­tral Col­lec­ting Point. Die Staat­li­che Gra­phi­sche Samm­lung Mün­chen hat das Aqua­rell 1959 als Über­wei­sung aus Staats­be­sitz er­hal­ten.

Dr. Michael Hering (links) im Gespräch mit dem Erben des Wiener Sammlers Richard Stein, Herrn Felix Bloch.