Expressionistisches Gemälde
NS-Raubgut

Faire und gerechte Lösung für Kirchner-Gemälde im Brücke-Museum

Das Bild „Erich Heckel und Otto Mueller beim Schach“ verbleibt im Museum, die Erbengemeinschaft erhält eine Entschädigung.

Für den Restitutionsanspruch auf das Gemälde „Erich Heckel und Otto Mueller beim Schach“ von Ernst Ludwig Kirchner im Berliner Brücke-Museum ist eine faire und gerechte Lösung gefunden worden. Das gaben die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt und Anne Webber, Co-Vorsitzende der Commission for Looted Art in Europe, als Vertreterin der Erben von Dr. Victor Wallerstein, gemeinsam bekannt. Das Gemälde aus dem Jahr 1913 verbleibt demnach im Brücke-Museum, ermöglicht durch Mittel der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Der jüdische Kunsthistoriker Victor Wallerstein (geb. 1878 in Prag-gest. 1944 in Florenz) war ein bedeutender Kunstkenner, Kunsthändler, Sammler und Förderer der Künstler:innen der Moderne. 1919 hatte Wallerstein mit Fritz Goldschmidt in Berlin die „Galerie Goldschmidt - Wallerstein“ gegründet, in der unter anderem die „Brücke“-Künstler ausgestellt wurden. Neben seiner Tätigkeit als Kunsthändler und Galerist baute Wallerstein eine private Sammlung auf, zu der Werke von Oskar Kokoschka und Ernst Ludwig Kirchner zählten und pflegte Kontakte und Freundschaften zu vielen Künstlern seiner Sammlung. Aufgrund der NS-Diktatur wurde die Kunsthandlung im Sommer 1934 zwangsweise geschlossen und musste im Juni 1936 liquidiert werden.

Wallerstein selbst war gezwungen, Berlin zu verlassen. 1936 suchte er Zuflucht in Italien und nahm einen kleinen Teil seiner Privatsammlung mit, einschließlich des Gemäldes „Erich Heckel und Otto Mueller beim Schach“. In Florenz, wo er weiterer Verfolgung ausgesetzt war, hatte er keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wallerstein sah sich durch die deutsche und italienische Repression gezwungen, Kunstwerke zu verkaufen, darunter das Kirchner-Gemälde, das er um 1940 veräußern musste. Victor Wallerstein starb im Juli 1944 in einem Krankenhaus in Florenz nach seiner Festnahme durch die SS. 1973 gelangte das Gemälde aus dem Kunsthandel in das Brücke-Museum.

In Anerkennung der Verfolgung Victor Wallersteins durch das Nazi-Regime und des erzwungenen Verkaufs des Kirchner-Gemäldes einigten sich die Beteiligten gemäß den „Washingtoner Prinzipien“ darauf, dass das Werk gegen eine Entschädigungszahlung an die Erbengemeinschaft im Brücke-Museum verbleibt. Ernst Ludwig Kirchners Gemälde zählt zu den Höhepunkten seiner Berliner Schaffenszeit. Es ist zudem das letzte malerische Dokument der Brücke-Gemeinschaft vor deren Auflösung. In diesem Sinne ist das Gemälde von besonderer Bedeutung im Bestand des Brücke-Museums.

Das Brücke-Museum widmet sich seit 2018 intensiv der Erforschung der Provenienzen der Sammlung. Die Ausstellung „Biografien der Moderne. Sammelnde und ihre Werke“ vom 1. September bis 24. November 2024 wird Einblicke in die Provenienzforschung am Haus geben. Der Fokus liegt dabei auf den Biografien von neun früheren Eigentümer:innen: jüdische Persönlichkeiten, die die moderne Kunst in Deutschland maßgeblich gefördert haben. Victor Wallerstein wird als eine der zentralen Personen geehrt – und das Gemälde „Erich Heckel und Otto Mueller beim Schach“ prominent präsentiert werden. Die Erforschung der Provenienz erfolgte am Brücke-Museum mithilfe der Förderung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste und der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Am Berliner Brücke-Museum hat das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste zwei Provenienzforschungsprojekte gefördert: Erweiterung des Blickfeldes: Untersuchung von Papierarbeiten des Brücke-Museums und Systematische Untersuchung der Herkunft von Gemälden, Plastiken, Glasbildern und einer Zeichnung aus dem Brücke-Museum.