drei Frauen sehen sich eine auf einem Tische liegende Zeichnung an
NS-Raubgut

Raubkunst-Verdacht: Lippische Landesbibliothek untersucht Herkunft von alten Zeichnungen

Im Forschungsprojekt „Ermittlung der Provenienz von 28 Handzeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts unter Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug in der Lippischen Landesbibliothek“ werden alte Zeichnungen unbekannter Herkunft untersucht.

Alte Zeichnungen, wohl von Tintoretto, Veronese und anderen Berühmtheiten, Herkunft unbekannt: Mitarbeiterinnen der Lippischen Landesbibliothek hatten bei der Revision der Graphischen Sammlung die rätselhafte Mappe mit 28 Blättern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert gefunden. Da die Stücke nicht zum Sammlungsprofil passen, stellte sich die Frage, wie sie in die Bibliothek gekommen waren.

Eine erste Recherche im Bibliotheksarchiv ergab, dass die Blätter während oder kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs ins Haus gelangt waren. Sie gehören der Bibliothek nicht, doch die britische Militärregierung entschied seinerzeit, dass sie dort am besten aufgehoben seien, bis rechtmäßige Eigentümer:innen sich gemeldet hätten oder ermittelt würden. Bis heute aber ist über die Eigentümer:innen nichts bekannt.

Das will das Forschungsprojekt „Ermittlung der Provenienz von 28 Handzeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts unter Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug in der Lippischen Landesbibliothek“ nun ändern. Das Projekt hat am 1. Juli 2023 begonnen, wird finanziell gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und begleitet von der Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen (KPF.NRW). Zudem wird das Forschungsvorhaben von der Französischen Botschaft (Außenstelle Berlin) in enger Zusam-menarbeit mit Kolleg:innen aus Französischen Archiven unterstützt.

Die Zeichnungen kamen unter dem Bibliotheksdirektor Eduard Wiegand ins Haus, der der Landesbibliothek in der Zeit von 1933 bis 1945 vorstand und überzeugter Nationalsozialist war. Wiegand hatte keine Hemmungen, die Bibliothek an beispielsweise polizeilichen Beschlagnahmungen zu bereichern. Die Aufzeichnungen des Bibliothekars Alfred Bergmann, der die Landesbibliothek nach Wiegands Absetzung 1945 kommissarisch leitete, belegen, dass Bergmann von einer „dubiosen“ Herkunft der Bilder ausging. Er versuchte nach 1945, die Bedeutung und die Herkunft der Zeichnungen zu ermitteln – ohne Erfolg. Die Umstände und die Erinnerungen Bergmanns legen den starken Verdacht nahe, dass die Kunstwerke unrechtmäßig entzogen worden sind.

Schon Alfred Bergmann befragte 1945 lokale „Experten“ und schloss aus den Gesprächen, dass die Blätter aus französischen Wohnungen, einem Museum oder einer Privatsammlung gestohlen worden seien könnten. Auch die Niederlande werden als möglicher Herkunftsort genannt. Die Spuren führen über Lippe und Westfalen hinaus, weshalb neben dem Besuch von regionalen Archiven auch Recherchen in französischen oder niederländischen Archiven geplant sind.

Jörg Düning-Gast, Verbandsvorsteher des Landesverbandes Lippe: „Sollte sich der Verdacht auf NS-Raubgut bestätigen, ist es vielleicht auch möglich, die rechtmäßigen Eigentümer:innen oder deren Rechtsnachfolger:innen zu ermitteln. Dann wäre es auch das Ziel, die Zeichnungen zurückzugeben.“

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Blog-Beitrag der Lippischen Landesbibliothek