Die Computertomografie wurde in enger Abstimmung mit dem National Museum & Art Gallery Papua-Neuguinea am Klinikum Mitte in Bremen durchgeführt. Die Ergebnisse werden mit Ende des dreijährigen Provenienzforschungsprojektes im Herbst 2022 veröffentlicht.
Die Ahnen-Schädel aus der Sammlung des Übersee-Museums sind mit Ton und Wachs übermodelliert und mit Muscheln, Perlen und Farbe künstlerisch verziert. Die mit Wachs überformten Schädel stammen von der Insel Neuirland, die mit Ton übermodellierten aus dem Sepik-Gebiet, dem längsten Fluss in Papua-Neuguinea. Vermutlich wurden die Schädel im Zeitraum von 1884-1914/18, also während der Kolonialzeit im damaligen Deutsch-Neuguinea, gesammelt. Insgesamt umfasst die Sammlung des Museums 125 Schädel aus Papua-Neuguinea.
Die Frage nach der Herkunft sowie der Erwerbung der Schädel spielen bei der Untersuchung von Projektleiterin Bettina von Briskorn eine zentrale Rolle. Unterstützt wird sie von der Anthropologin Swantje Grohmann, die mithilfe von CT-Scans das biologische Geschlecht der Betroffenen, Alter, Krankheiten und Todesursachen zu ermitteln sucht. Denn bei übermodellierten Schädeln ermöglicht erst der CT-Scan einen präziseren Blick auf den Schädel.
„Die Ergebnisse einer anthropologischen Untersuchung insbesondere mithilfe von CTs unterstützen eine Rehumanisierung der Schädel, denn sie ermöglichen es, sich dem Schicksal der namenlosen Individuen zu nähern. Aus dem Museumsobjekt wird wieder ein Mensch.“, sagt Bettina von Briskorn. Darüber hinaus kann die Analyse der CTs auch Hinweise liefern, die für die klassische Provenienzforschung von Bedeutung sind. So können anthropologische Erkenntnisse mit den Angaben in alten Museumsverzeichnissen verglichen werden.
Am Sepik überformten die dort ansässigen Gemeinschaften die Schädel ihrer Ahnen mit Ton. Während der Kolonialzeit erfreuten sich diese Schädel bei Sammlern aus Europa großer Beliebtheit. Es besteht die Vermutung, dass häufig auch Schädel von Feinden mit Ton übermodelliert und als Ahnenschädel gestaltet wurden, um sie an die Sammler im Tausch gegen begehrte Waren, wie Äxte und Messer, abzugeben. Mithilfe der CT-Aufnahmen lässt sich für die übermodellierten Schädel gegebenenfalls ermitteln, ob die betroffenen Personen eines gewaltsamen Todes gestorben sind.
Angestrebt wird eine Rückkehr der Schädel nach Papua-Neuguinea, sofern ihre Herkunft hinreichend präzise erforscht werden kann.