Die Sammlung Islamischer Kunst des Berliner Bankiers Dr. Max Ginsberg

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Dodi Reifenberg
Bundesland:
Berlin
Ansprechpartner:
Helmuth F. Braun

PositionProvenienzforschung

Tel.+49 (0) 177 527 37 50

E-Mailh.braun@posteo.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Die Berliner Sammlung islamischer Kunst von Dr. Max Ginsberg (1872-1938) umfasste 1933 etwa 400 Objekte persischen, syrischen und ägyptischen Kunsthandwerks aus dem Zeitraum 3000 v.Chr. bis ins 18. Jahrhundert. Anfang 1931 wurden sieben Objekte aus seiner Sammlung für die große International Exhibition of Persien Art [1] in der Royal Academy in London ausgewählt. Zu den Ausstellungen Islamische Kunst aus Berliner Privatbesitz (Mai Juni 1932) im Kaiser-Friedrich-Museum, sowie Islamische Kunst der Sammlung Dr. M. Ginsberg (1. Januar 31.Mai 1933) im neu eröffneten Pergamon-Museum hat Ginsberg als Leihgeber 130 Werke zur Verfügung gestellt. Im Sommer 1936 nahm er im Kunstgewerbemuseum Zürich, vermutlich auf Vermittlung von Prof. Friedrich Sarre, an der Ausstellung Iranische Kunst. Elamitischer und persischer Kulturkreis [2] teil. Der Katalog zu dieser Ausstellung enthält keine Objektliste, dafür eine fotografische Auswahl von 25 Kunstwerken, unter denen Max Ginsberg mit einem bronzenen Wasserbecken aus dem 13. Jahrhundert vertreten ist.

Auf einer Auktion bei Sothebys in London [3] wechselte Ende Juli 1939 eine aus 108 Losen bestehende Sammlung islamischer Kunstobjekte den Besitzer, ohne dass der Name des Sammlers einmal erwähnt wird. Im Auktionskatalog finden sich in den Objektbeschreibungen zahlreiche Verweise auf Kunstwerke aus Ginsbergs Sammlung, die er 1931 in der Royal Academy in London und 1936 im Kunstgewerbemuseum Zürich ausgestellt hatte. Zu 21 Objekten gibt es auch jeweils eine Abbildung. Sothebys London hat bestätigt, dass sämtliche Kunstwerke dieser Auktion aus dem Besitz von Max Ginsberg stammten. Einlieferer war die AMOBA Kunsthandlung aus Amsterdam, die von Otto Meyer geführt wurde. Nachdem die NS Behörden seine Berliner Galerie, in der er die künstlerische Avantgarde seiner Zeit ausstellte, geschlossen hatten, floh Meyer nach Amsterdam.

Bisher ist unklar, wie er an die Sammlung von Max Ginsberg gekommen war, in wessen Namen und auf wessen Rechnung er diese im Sommer 1939 in London zur Versteigerung brachte.[4] Da war Max Ginsberg schon seit mehr als einem Jahr verstorben. Die Rolle Otto Meyers als Einlieferer ist einer der Meilensteine der Recherche für den Verbleib der Sammlung von Max Ginsberg.

Zusammen mit seinem Bruder Ludwig und seinem Vetter Herbert war Max Gesellschafter des Bankhauses Gebr. Ginsberg in Berlin. Die Familie war im 19. Jahrhundert im Getreidehandel tätig und besaß Textilfabriken im polnischen Lodz und in Zawiercie. Die Ginsbergs lebten seit den 1880er Jahren im repräsentativen Tiergartenviertel, der „Via Sacra des christlichen und jüdischen Reichtums in Berlin[5] und waren sowohl in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, als auch im städtischen Leben kulturell und sozial engagiert. Ihr Wohlstand erlaubte es Ihnen, philanthropisch tätig zu sein und Kunstsammlungen zu erwerben und zu pflegen. Max Ginsberg sammelte Islamische Kunst, sein Vetter Herbert Ginsberg Ostasiatika und sein Bruder Ludwig Ginsberg besaß eine umfangreiche Sammlung von Menzel Grafik. Alle drei Sammlungen sind infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft abhanden gekommen und nicht mehr als solche existent.

Das besondere Interesse für den Orient wurde bei Ginsberg vermutlich durch seinen Onkel Hermann Burchardt (1857-1909) geweckt, der seit den 1890 Jahren zahlreiche Reisen nach Syrien, Iran und in den Jemen unternommen hatte und längere Zeit auch in Damaskus lebte. Ginsberg hat ihn möglicherweise auf einer oder mehreren Reisen begleitet und dabei den Grundstock für seine eigene Sammlung gelegt. Nach Burchardts tragischem Tod im Jemen hat Max Ginsberg 1911 dem Museum für Völkerkunde in Berlin 2000 fotografische Glasnegative aus dessen Nachlass geschenkt. [6]

Max Ginsberg war Ende 1937 im Zuge der Planungen Albert Speers für die „Reichshauptstadt Germania gezwungen, die Wohnung in der Villa Augusta, Brückenallee 1 zu räumen. Bei der Familie seiner Tochter kam er zusammen mit seiner Frau unter. Max Ginsberg ist im Mai 1938 verstorben, seine Frau Henriette wurde im Herbst 1942 nach Treblinka verschleppt und ermordet, Tochter Adele mit Ehemann Max Nothmann, sowie die Enkel Vera und Gerda im Frühjahr 1943 nach Auschwitz deportiert. Nur Gerda hat als Zwangsarbeiterin das Lager überlebt. Sie wurde am 1. Mai 1945 von den Sowjets befreit und konnte später in die USA emigrieren.

Die Ergebnisse der Recherchen zur verlorenen Sammlung islamischer Kunst von Max Ginsberg sollen zusammen mit den anderen vom DZK geförderten Projekten zu Ludwig Ginsberg (Menzel Sammlung) und Herbert Ginsberg (Ostasiatika Sammlung) auf einer abgestimmten Website zusammengeführt und präsentiert werden. Darüber hinaus wird auf dem Blogportal Hypotheses, ein Blog eröffnet, der die aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen zu den drei Sammlungen der Familie Ginsberg bündelt. Eine geplante Ausstellung 2024 möchte Aufstieg und Fall einer bürgerlichen, jüdischen Familie vom Kaiserreich bis zu seiner Auslöschung im "Dritten Reich" nachzeichnen und einer breiten Öffentlichkeit diese drei Sammlungen präsentieren.

[1] Katalog: International Exhibition of Persian Art, Royal Academy of Arts, London 1931.

[2] Katalog: Iranische Kunst. Elamitischer und persischer Kulturkreis, KGM Zürich 1936.

[3] Auktionskatalog: A fine Collection of Persian and Turkish Faience, Metalwork and Lacquer, ect. Egyptian, Roman and Mesopotamian Glass Vessels. The Property of a well-known Collector. Lot 62-170, Sotheby & Co., London July 31, 1939.

[4] Otto Meyer war während der deutschen Besatzung im niederländischen Widerstand aktiv, er unterrichtete nach dem Krieg an der Gerrit Rietveld Academy, wurde 1947 Direktor des Joods Historisch Museum Amsterdam und war ab 1952 Chefkurator am Stedelijk Museum, dessen Leitung er 1962 übernahm.

[5] Nicole Henneberg, „Mich interessieren Menschen, in: Gabriele Tergit, Effingers, Frankfurt 2019, Nachwort S. 894.

[6] Annegret Nippa, Peter Herbstreuth: Unterwegs am Golf. Von Basra nach Maskat. Photographien von Hermann Burchardt, Berlin 2006, S. 4.

(c) Projekt Die Sammlung Islamischer Kunst des Berliner Bankiers Dr. Max Ginsberg