Überprüfung der Archivbestände des Schlossmuseums Jever nach Hinweisen auf unrechtmäßige Aneignung von Besitz jüdischer Bürger in der Zeit 1933 bis 1945

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Schlossmuseum Jever
Bundesland:
Niedersachsen
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Antje Sander

PositionMuseumsleiterin

Tel.+ 49 (0) 4461 969 35 0

E-Mailinfo@schlossmuseum.de

Christiane Baier

Tel.+49 (0) 4461 969 35 34

E-Mailc.baier@schlossmuseum.de

Projekttyp:
Kurzfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Ausgangsfragen und Zielsetzungen des Projektes

Nachdem die Geschichte der Sammlungsbestände im Dritten Reich schon geraume Zeit als dringendes Forschungsdesiderat auf der Agenda des Schlossmuseums Jever gestanden hatte, gab den letzten Anstoß zu dem Projekt die vom Regionalhistoriker Hartmut Peters vorgenommene Auswertung einer Akte mit dem Titel „Judenpolizei. Diese war 2012 auf dem Dachboden des jeverschen Rathauses gefunden worden. Danach hatte im Jahr 1940 ohne Befehl von höherer Stelle die jeversche Stadtverwaltung zusammen mit der Gestapo die Vertreibung der letzten in Jever verbliebenen jüdischen Bürger eingeleitet.

Auf den Weg gebracht wurde diese Aktion in einem „Vierer-Gespräch zwischen Bürgermeister Martin Folkerts und Vertretern der Gestapo und des Landkreises Friesland. Die Konfiszierung von Mobiliar sowie der anschließende Verkauf dieser Objekte folgten der Vertreibung. Zuvor waren bereits Zwangsverkäufe von Häusern, die sich im Besitz von Juden befunden hatten, vorgenommen worden.

Aus der Tatsache heraus, dass Martin Folkerts als Bürgermeister der Stadt Jever zugleich den Posten des Vorsitzenden des Jeverländischen Altertums- und Heimatvereins innehatte, ergibt sich aufgrund der oben beschriebenen Vorgänge gegen die Juden, die Folkerts planmäßig mit einleitete, ein besonderes Verdachtsmoment. Zudem finden sich weitere Vorstandmitglieder, die überzeugte Nationalsozialisten waren. Die (Sammel-)Aktivitäten des Altertums- und Heimatvereins, die sich lt. Inventarbücher ab 1937 steigerten und der damit verbundene sprunghafte Anstieg der Zahl der Neuzugänge, legt auch die Vermutung nahe, dass nach der Ausplünderung der Juden Objekte aus deren Besitz in das Schlossmuseum gelangt sein könnten.

Mithilfe der von der Arbeitsstelle Provenienzforschung bewilligten Gelder konnte nun das vorliegende Aktenmaterial (Eingangsbücher, Inventarbücher, Stückeverzeichnisse) in einem kurzfristigen Projekt von September 2014 bis Februar 2015 näher untersucht werden.

Projekt in Zahlen

Die Durchsicht der Eingangsbücher, Stückeverzeichnisse sowie der Protokollbücher des Vorstandes und von Korrespondenzen des Altertums- und Heimatvereins ergab, dass dieser Bestand weder erschlossen ist noch überhaupt eine verlässliche Datengrundlage bietet. So besteht ein Inventarisierungs- und Dokumentationsdefizit sowohl im Bereich des Sachgutes als auch im Archivbereich in den Jahren zwischen 1930 und 1945/46. Die Gesamtzahl dieser Objekte ist nicht zu bestimmen, da die Eingangsbücher nicht korrekt geführt wurden und z.B. sich auch Eintragungen von Neuzugängen in den Protokollbüchern finden, die wiederum in den Eingangsbüchern fehlen.

Zum anderen wurde festgestellt, dass eine große Zahl der dokumentierten Objekten im Bestand des Schlossmuseums nicht nachzuweisen ist. Die Zahl der heute tatsächlich vorhandenen Objekte aus den 1930er und 1940er Jahren ist sehr gering und deckt höchstens 10% der in den Inventarbüchern vorgenommenen Eintragungen ab. Ein Katalog/Findbuch zum Bibliotheks- und Archivbestand des Schlosses in dieser Zeit fehlt gänzlich. Somit besteht zunächst allgemein ein Klärungsbedarf. Diesen grundlegenden Fragen weiter nachzugehen, war innerhalb des bisherigen kurzfristigen Projektes nicht möglich und wäre im Rahmen einer langfristigen Maßnahme weiterzuverfolgen.

Dabei müssten Nachforschungen zum Verbleib vorrangig angestellt werden für den im Februar 1941 von dem Nationalsozialisten Paul Liebenow dem Schlossmuseum überbrachten Synagogenschlüssel einschließlich sogenannter „Judenakten sowie für Akten über Juden, die sich um 1940 nachweislich bereits im Museumsarchiv befunden haben. Auch hat das Museum 1938 möglicherweise eine Mesusa (Schriftkapsel) aus einem jeverschen Haus besessen, da deren Inschrift in einer deutschen Übersetzung aus demselben Jahr dem Schlossarchiv vorliegt.

Die Einträge zur Provenienz der weiteren Objekte aus dem relevanten Zeitraum sind als eher unauffällig einzustufen. Es handelt sich um Schenkungen und Ankäufe von Gemälden und Grafiken lokaler bzw. regionaler Künstler sowie hauptsächlich von Objekten aus dem volkskundlichen Bereich vor allem von nicht-jüdischen Jeveranern (Haushaltsgeräte, Textilien, landwirtschaftliche Geräte).

Auflistung der für das Projekt relevanten handelnden historischen Personen und Institutionen

Jeverländischer Altertums- und Heimatverein e.V.:

Martin Folkerts, Bürgermeister Jevers und Vorsitzender des Jeverländischen Altertums- und Heimatvereins, Amtszeit 1937-1945, war ab 1950 wieder als Vorsitzender des Vereins tätig;

Karl Fissen, Studienrat und Heimatforscher, (*1885 in Jever +1978 in Oldenburg)

Carl Woebcken, Pastor und Heimatforscher (*1878 in Neuenburg +1965 in Jever)

Georg Janßen-Sillenstede, Heimatforscher, Schlossmuseumsleiter in Jever (1877-1947)

Heimatverein Jever:

F.A. Lange, Chefredakteur des „Jeverschen Wochenblattes, Vorstandsmitglied des Heimatvereins Jever in den 1920er Jahren, Gründungsmitglied der NSDAP in Jever, verantwortlich für die Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie bereits in der 20er Jahren

Weitere Personen:

Paul Anton Liebenow, Gärtner, arbeitete für die Stadtverwaltung Jever (*12.11.1901 in Schwerin, + ca. 1951), maßgeblich an der Zerstörung der jeverschen Synagoge beteiligt und im Synagogenbrandprozess 1951 verurteilt

Die Ergebnisse der Forschungen sollen in einem Aufsatz-Sammelband dargelegt werden.

(c) Schlossmuseum Jever