Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste veranstaltet die digitale Herbstkonferenz „VEB Kunst - Kulturgutentzug und Handel in der DDR“

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste beleuchtet mit der Tagung den Binnen- und Außenhandel mit Kunst und Antiquitäten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zwischen 1945 und 1990.

30 Jahre nach der Deutschen Einheit ist die DDR zwar Vergangenheit, doch die Aufarbeitung ihrer Geschichte ist noch lange nicht abgeschlossen. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste beleuchtet mit der digitalen Konferenz „VEB Kunst – Kulturgutentzug und Handel in der DDR“ am 30. November 2020 ein Feld in der Provenienzforschung, das öffentlich bislang noch wenig diskutiert wird: den Binnen- und Außenhandel mit Kunst und Antiquitäten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zwischen 1945 und 1990.

Zur De­vi­sen­be­schaf­fung ver­kauf­te die DDR Kunst­wer­ke und Kul­tur­gü­ter ins Aus­land. Die Kunst und An­ti­qui­tä­ten GmbH ver­wer­te­te im Staats­auf­trag so­gar Mu­se­ums­be­stän­de, zu­gleich press­te man Samm­lern und pri­va­ten Händ­lern mit fin­gier­ten Steu­er­hin­ter­zie­hungs­vor­wür­fen ih­re wert­vol­len Samm­lun­gen ab. Wäh­rend an vie­len ost­deut­schen Mu­se­en seit den 1990er Jah­ren in­ten­si­ve Ein­zel­fall­re­cher­che be­trie­ben wird, ist die Rol­le selbst wich­tigs­ter Ak­teu­re wie die des Kul­tur- oder des Fi­nanz­mi­nis­te­ri­ums bis heu­te nicht um­fas­send auf­ge­ar­bei­tet. Auch über die Pra­xis des Sam­melns lie­gen kaum wis­sen­schaft­li­che Pu­bli­ka­tio­nen vor. „Un­se­re Kon­fe­renz kann die­se De­fi­zi­te na­tür­lich nicht be­sei­ti­gen. Sie will aber für das The­ma sen­si­bi­li­sie­ren – und auch für die For­schungs­auf­ga­ben, die noch vor uns lie­gen“, sagt Prof. Dr. Gil­bert Lup­fer, Vor­stand des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te in Mag­de­burg.

Die di­gi­ta­le Kon­fe­renz mit rund 170 Ex­pert:in­nen und Teil­neh­mer:in­nen stellt die ak­tu­el­len Er­kennt­nis­se über den Han­del der DDR mit his­to­ri­schen Kul­tur­gü­tern auf dem in­ter­na­tio­na­len Kunst­markt dar, be­fasst sich mit der of­fi­zi­el­len wie in­of­fi­zi­el­len Ver­wer­tung ent­zo­ge­nen Ei­gen­tums und er­zählt auch von den teils tra­gi­schen Schick­sa­len Be­trof­fe­ner wie bei­spiels­wei­se dem Ei­gen­tü­mer der Ga­le­rie Hen­ning in Hal­le: Sei­ne Ga­le­rie ge­riet we­gen ih­res avant­gar­dis­ti­schen Pro­gramms ins Vi­sier der SED-Füh­rung und wur­de zwangs­ge­schlos­sen. Eduard Hen­ning nahm sich we­nig spä­ter das Le­ben.

Die Ta­gung gibt auch Ein­blick in die Ar­beit des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te: Seit 2017 för­dert das Zen­trum in wis­sen­schaft­li­chen Ko­ope­ra­ti­ons­pro­jek­ten die Grund­la­gen­for­schung zu Kul­tur­gut­ent­zie­hun­gen in der SBZ und DDR. Da­mit sol­len Struk­tu­ren und Prot­ago­nis­ten iden­ti­fi­ziert wer­den, um auch ei­ne Ba­sis für die mög­li­che Un­ter­su­chung von Ein­zel­fäl­len zu schaf­fen.

Wie es um die Auf­ar­bei­tung die­ses we­nig be­kann­ten Ka­pi­tels der DDR-Ge­schich­te steht und wie die In­ter­es­sen von Op­fern da­bei be­rück­sich­tigt wer­den, wur­de be­reits auf ei­ner Po­di­ums­dis­kus­si­on am Vor­abend der Kon­fe­renz the­ma­ti­siert. Die De­bat­te mit Ul­ri­ke Lo­renz (Prä­si­den­tin der Klas­sik Stif­tung Wei­mar), Ro­land Jahn (Bun­des­be­auf­trag­ter für die Un­ter­la­gen des Staats­si­cher­heits­diens­tes der ehe­ma­li­gen Deut­schen De­mo­kra­ti­schen Re­pu­blik), Ulf Bi­schof (Rechts­an­walt) und Uwe Hart­mann (Lei­ter des Fach­be­reichs Pro­ve­ni­enz­for­schung beim Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te) ist am 1. De­zem­ber um 22 Uhr in der Sen­dung „MDR Kul­tur-Werk­statt“ un­ter dem Ti­tel „Ent­eig­net, ent­zo­gen, ver­kauft. Zur Auf­ar­bei­tung der Kul­tur­gut­ver­lus­te in der DDR“ nach­zu­hö­ren. An­schlie­ßend kann sie ein Jahr lang in der ARD Me­dia­thek ab­ge­ru­fen wer­den.

Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te in Mag­de­burg ist in Deutsch­land zen­tra­ler An­sprech­part­ner zu al­len Fra­gen un­recht­mä­ßig ent­zo­ge­nen Kul­tur­guts. Das Zen­trum wird von der Be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Me­di­en in­sti­tu­tio­nell ge­för­dert und er­hält hier­aus auch die Mit­tel für sei­ne Pro­jekt­för­de­rung. Das Haupt­au­gen­merk des Zen­trums gilt dem im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­gut ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz. Da­ne­ben zäh­len Kul­tur- und Samm­lungs­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten und kriegs­be­dingt ver­la­ger­te Kul­tur­gü­ter (sog. Beu­te­gut) so­wie Kul­tur­gut­ent­zie­hun­gen in der SBZ und DDR zu den Hand­lungs­fel­dern des Zen­trums.

Die Bei­trä­ge der Kon­fe­renz „VEB Kunst“ wer­den, an­ge­rei­chert durch wei­te­re Auf­sät­ze ähn­li­cher The­ma­tik, im Herbst 2021 in dem wis­sen­schaft­li­chen Sam­mel­band „Zur Auf­ar­bei­tung der Kul­tur­gut­ver­lus­te in der SBZ und DDR“ in der Rei­he „Pro­ve­ni­re“ im Ver­lag De Gruy­ter er­schei­nen, her­aus­ge­ge­ben vom Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te.

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