Erst-Check in fünf Stadt- und Regionalmuseen – ein Pilotprojekt zur Provenienzforschung in Südniedersachsen

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Landschaftsverband Südniedersachsen e.V. (Göttingen)
Bundesland:
Niedersachsen
Projekttyp:
Kurzfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Ausgangsfragen und Zielsetzungen des Projektes

Der Erst-Check wurde vom 01.06. 30.11.2016 in fünf südniedersächsischen Stadt- bzw. Regionalmuseen durchgeführt: Duderstadt, Einbeck, Alfeld, Hann. Münden und Clausthal-Zellerfeld.

Die initiativen Körperschaften für das Projekt sind das Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, das Netzwerk Provenienzforschung in Niedersachsen, der Museumsverband Niedersachsen und Bremen e.V., der Landschaftsverband Südniedersachsen e.V. als direkter Auftraggeber und die jeweiligen Museen bzw. kommunalen Träger. Die finanzielle Förderung mit Bundesmitteln erfolgte durch das Deutsches Zentrum Kulturgutverluste.

Im Rahmen einer Voruntersuchung (Erst-Check) sollte geklärt werden, ob es einen Verdacht auf unrechtmäßigen Erwerb von Objekten seitens des Museums, besonders während der NS-Zeit, gab.

Verdächtige Objekte sowie solche mit unklarer Provenienz, besonders aus dem Erwerbungszeitraum 1933 bis 1945, aber auch spätere Zugänge, wurden dokumentiert. Im Fall positiver Befunde  wird ein Anschlussprojekt anvisiert, das die Verdachtsfälle möglichst klären bzw. eine angemessene weitere Vorgehensweise ermöglichen soll (Restitution, Veröffentlichung in der Lost Art-Datenbank o.ä.). Die Ergebnisse werden publiziert.

In vier der fünf Museen wurden verdächtige Objekte sowohl in den Sammlungen als auch in den Altbeständen der Museumsbibliotheken dokumentiert. In Clausthal-Zellerfeld konnte der Verdacht der Arisierung eines Grundstücks durch das Museum entkräftet werden. In der zum Clausthaler Museum gehörenden Harz-Bibliothek wurden allerdings einige verdächtige Bücher dokumentiert.

Der Großteil der verdächtigen Objekte ist in der NS-Zeit in das Museum gekommen. In Alfeld wurden darüber hinaus problematische Ethnografica und in Duderstadt Kirchenausstattungsgegenstände, die möglicherweise aus der DDR stammen könnten, festgestellt; die letztgenannten Verdachtsmomente bedürfen noch der weiteren Überprüfung.

Im Erwerbungszeitraum 1933-45 sind es hauptsächlich Eingänge aus linkspolitischen bzw. arbeiterkulturellen Verbänden, von jüdischen Familien oder Institutionen, den Freimaurern, katholischen Einrichtungen und aus weiteren „volks- oder staatsfeindlichen“ Zusammenhängen. Auch von Einzelpersonen aus den genannten Kontexten wurden Objekte dokumentiert.

Projekt in Zahlen

Duderstadt

Ungef. Gesamtzahl Objekte (ohne Bibliothek): 7.500

Unbedenkliche Provenienz 1933-45: ?

Unklar:83

Bedenklich: 63

Eindeutig belastet: --

Einbeck   

Ungef. Gesamtzahl Objekte (ohne Bibliothek): 14.000

Unbedenkliche Provenienz 1933-45: ?

Unklar: 172

Bedenklich: 12

Eindeutig belastet: 23 (28)

Alfeld   

Ungef. Gesamtzahl Objekte (ohne Bibliothek): Nicht bekannt

Unbedenkliche Provenienz 1933-45: ?

Unklar: ?

Bedenklich: 114

Eindeutig belastet: 3 (9)

Hann. Münden

Ungef. Gesamtzahl Objekte (ohne Bibliothek): 10.000

Unbedenkliche Provenienz 1933-45: ?

Unklar: ?

Bedenklich:13

Eindeutig belastet: 4 (4)

Clausthal-Zellerfeld

Ungef. Gesamtzahl Objekte (ohne Bibliothek): 9.000

Unbedenkliche Provenienz 1933-45: ?

Unklar: ?

Bedenklich: 3

Eindeutig belastet: --

Bei den oben angegebenen Zahlen handelt es sich um die Anzahl von Inventarnummern, nicht von einzelnen Objekten. Da es sich häufig um mehrere Gegenstände unter einer Inventarnummer handelt, liegt die tatsächliche Objektanzahl höher; diese wurde für Objekte der „roten“ Kategorie in Klammern angeführt.

Nach derzeitigem Forschungsstand kann noch keine genaue Anzahl von Objekten, für die eine unrechtmäßige Entziehung vollständig ausgeschlossen werden kann, angegeben werden. Unverdächtige Objektkategorien sind jeoch bspw. die vor 1933 in den Museen gesammelten Altbestände, in Stadt und Umland ergrabene oder aufgesammelte Archäologica oder nach 1945 hergestellte Gegenstände. Der Suche und Dokumentation von Verdachtsfällen bzw., da wo möglich, unklarerer Provenienzen, wurde im zeitlich begrenzten Rahmen des Erst-Checks vor der zahlenmäßigen Erfassung dieser unbedenklichen Objekte Vorrang gegeben.

Eine exakte Nennung der Anzahl von insgesamt überprüften Objekte ist insofern schwierig, als die Art der Prüfung in den Leitlinien nicht genauer definiert ist. Die Anzahl der in den Inventaren notierten und dort überprüften Gegenstände geht in die Tausende, die Menge der in Augenschein genommenen und nach Herkunftsvermerken geprüften Gegenstände wurde nicht gezählt.

Die oben angegebenen Zahlen sind relativ, z.B. war es nur in zwei Museen möglich, die unklaren (gelben) Fälle aufzunehmen; in den übrigen waren es schlicht zu viele. Zudem beziehen sich die „gelben“ Zahlen in Duderstadt auf den Altbestand, während sie in Einbeck den Altbestand und den Bestand bis 1995 umfassen. Die relativ hohe Anzahl von Fällen der „orangen“ Kategorie in Alfeld resultiert aus der Entscheidung, die zahlreichen dort bewahrten Ethnografica ebenfalls als bedenklich zu kategorisieren, da sie unzureichend dokumentiert sind und bei ihrem Erwerb (post)koloniale Zwangssituationen nicht ausgeschlossen werden können.

Transparenz

Publikationen

Christian Riemenschneider: Provenienzforschung in fünf südniedersächsischen Museen. : Ein Erst-Check auf unrechtmäßig entzogene Kulturgüter. Duderstadt, 2017.

Online-Publikation der Ergebnisse des Erst-Checks auf der Homepage des Landschaftsverbandes Südniedersachsen (in Vorbereitung; erste Ergebnisse wurden bereits im Rahmen der Abschlussveranstaltung in Hann. Münden, am 28.11.2017, veröffentlicht; vgl. http://www.landschaftsverband.org/premi/2016-11-28.shtml

Beitrag im DZK-Periodikum „Provenienz & Forschung“, 2017

Presse

Eichsfelder Tageblatt, „Suche nach NS-Raubkunst“, 1.6.2016

Alfelder Zeitung, „Suche nach NS-Raubkunst auch in Alfeld“, 31.5.2016; „Forscher entdeckt Freimaurerstab im Alfelder Stadtarchiv“, 29.7.2016

Göttinger Tageblatt, „Museen suchen nach NS-Raubkunst“, 3.6.2016; „Das ganz alltägliche NS-Raubgut“, 1.12.2016; „Rückgabe von NS-Raubgut“, 2.1.22016

HNA, „Raubgut aus Nazizeit in Museen der Region vermutet“, 28.11.2016

Goslarer Zeitung, „Erst-Check gibt Entwarnung“, 21.9.2016

Focus, „Museen in Südniedersachsen suchen nach NS-Raubgut“, 31.5.2016

Bild, „Museen in Südniedersachsen suchen nach NS-Raubgut“, 31.5.2016

Hamburger Abendblatt, „NS-Raubgut in vier von fünf Museen“, 28.11.2016

Radio und Fernsehen

NDR Fernsehen, „NS-Raubgut in vier von fünf Museen“, 1.12.2016

Stadtradio Göttingen, in der Reihe „1 Stunde 1 Thema“: „Pilotprojekt zur Provenienzforschung in Südniedersachsen“, 10.1.2017

NDR1-Radio: im „Kulturspiegel“, 6.12.2016

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