Die Erwerbungen der „Sammlung der Zeichnungen“ (ehem. Nationalgalerie) im Zeitraum 1933 bis 1945 und ihre Provenienzen

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Forschungseinrichtung:
  • Kupferstichkabinett (Berlin)
  • Staatliche Museen zu Berlin. Zentralarchiv
Bundesland:
Berlin
Ansprechpartner:
Dr. Petra Winter

Tel.+49 (0) 30 266 42 5702

E-Mailp.winter@smb.spk-berlin.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

Zum Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin gehört seit 1992 die „Sammlung der Zeichnungen, ein Bestand von Ölskizzen, Aquarellen und Zeichnungen des überwiegend 19. sowie frühen 20. Jahrhunderts, der mit einer Überweisung aus dem ehem. Königlichen Kupferstichkabinett 1878 als gesonderte Abteilung der Nationalgalerie begründet worden war. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden für diese Sammlung rund 1.300 Werke erworben, die direkt aus Künstlerateliers, aus privatem Vorbesitz oder aus Kunsthandlungen sowie ab 1938 verstärkt aus Auktionen stammten.

Bei den Versteigerungen konzentrierten sich die während der NS-Zeit amtierenden Direktoren der Nationalgalerie, Eberhard Hanfstaengl und Paul Ortwin Rave, vor allem auf die großen, renommierten Auktionshäuser wie C. G. Boerner in Leipzig, Karl & Faber in München sowie Hauswedell in Hamburg. Aus Berliner Auktionen kamen nur je wenige Einzelblätter ins Haus, die bei Max Perl, Rudolph Lepke, Hans W. Lange, Reinhold Puppel und Adolf Herold erstanden wurden. Bei Galerien, Kunsthandlungen und Kunstantiquariaten hingegen waren vor allem die lokalen Berliner Unternehmen die bevorzugten Kaufadressen.

Der Bestand der „Sammlung der Zeichnungen am Berliner Kupferstichkabinett wurde vom 1. Oktober 2013 bis 30. September 2016 mit Förderung durch das Zentrum einer systematischen Erforschung der Provenienzen zur Auffindung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, unterzogen. Damit betrat das Projekt Neuland innerhalb der Provenienzforschung, die sich bisher noch kaum der systematischen Untersuchung graphischer Museumsbestände gewidmet hat. Erleichtert wurde dieser Einstieg zum einen durch ein vom Kupferstichkabinett im Vorfeld erarbeitetes Konzept für Provenienzforschung in so genannten „Large Scale Collections, zum anderen durch die ausnehmend gute Dokumentationslage: Neben dem vollständig erhaltenen Inventarbuch, das zu jedem einzelnen Werk die Erwerbungsquelle angibt, sind auch die Erwerbungsakten im Aktenbestand der Nationalgalerie im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin fast lückenlos überliefert.

Vier Werke konnten schon während der Projektlaufzeit an die Erben jüdischer Vorbesitzer restituiert werden: Zwei Zeichnungen von Friedrich (oder Ferdinand) von Olivier und Julius Schnorr von Carolsfeld stammten aus dem Eigentum der Wiener Ethnologin Dr. Marianne Schmidl. Sie waren im April 1939 und Mai 1941 bei C. G. Boerner in Leipzig von der Nationalgalerie ersteigert worden. Marianne Schmidl, eine Urenkelin Friedrich von Oliviers, arbeitete zuletzt an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, bis sie 1938 aufgrund ihrer „väterlicherseits jüdischen Abstammung in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Nachdem ihr die finanzielle Lebensgrundlage entzogen worden war, veräußerte sie die Zeichnungen aus ihrem Familienbesitz. Im April 1942 wurde sie in das polnische Ghetto Izbica deportiert. Ihr letztes Lebenszeichen stammt vom 11. Mai 1942.

Zwei weitere Zeichnungen von Christian Bernhard Rode konnten der Sammlung des jüdischen Kunsthistorikers und Professors Curt Glaser zugeordnet werden. Er verlor 1933 sein Amt als Direktor der Kunstbibliothek und emigrierte über Stationen in Frankreich, in der Schweiz, in Italien und Kuba letztendlich 1941 in die USA. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Erben Glasers einigten sich im Rahmen einer gerechten und fairen Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien darauf, dass die Werke gegen Leistung einer Entschädigungszahlung im Kupferstichkabinett verbleiben.

Bei gut der Hälfte der untersuchten Werke konnte im Laufe der Recherchen ein NS-verfolgungsbedingter Verlust ausgeschlossen oder als höchst unwahrscheinlich eingestuft werden. Die andere Hälfte weist noch Provenienzlücken auf, die sich derzeit ihrer Erforschung entziehen. Dies ist vor allem medial bedingt: Zeichnungen wurden nur selten in den zeitgenössischen Kunstbüchern so prominent abgebildet wie ein Gemälde oder in Auktionskatalogen so ausführlich beschrieben wie eine Skulptur. Viele Werke stammten aus Versteigerungen, deren Einlieferer in den Katalogen nur mit anonymen Besitzkürzeln gekennzeichnet sind. Die privaten Vorbesitzer trugen zudem selten prominente Namen und sind folglich in der archivalischen Überlieferung schwer oder gar nicht greifbar: Eine Zeichnung war für einen „Kleinbesitzer eher erschwinglich als ein repräsentatives Bildwerk in Öl.

Um die Grundlagenforschung in diesen Bereichen voranzutreiben, hat sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz entschlossen, nach Ablauf der Förderung 16durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste das Projekt bis Oktober 2017 eigenfinanziert fortzuführen.

Die Provenienzen zu den Erwerbungen für die „Sammlung der Zeichnungen zwischen 1933 und 1945 werden sukzessive in SMB-digital http://www.smb-digital.de/eMuseumPlus veröffentlicht werden.

Provenienzforschung bei den Staatlichen Museen zu Berlin:

Provenienzforschung an den Staatlichen Museen zu Berlin, URL: http://www.smb.museum/forschung/provenienzforschung.html

Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin, URL: http://www.galerie20.smb.museum/

Deutsch-Amerikanisches Austauschprogramm zur Provenienzforschung für Museen (PREP), 2017-2019, URL: http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/zentralarchiv/forschung/provenienzforschung-am-zentralarchiv/deutsch-amerikanisches-austauschprogramm-zur-provenienzforschung-fuer-museen-prep-2017-2019.html

(c) Kupferstichkabinett