Systematische Provenienzforschung an der Nationalgalerie, Museum Berggruen

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Forschungseinrichtung:
Museum Berggruen
Bundesland:
Berlin
Ansprechpartner:
Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
bis
Beschreibung:

Als Teil der Nationalgalerie präsentiert das Museum Berggruen eine bedeutende Sammlung zur Klassischen Moderne. Seinen Namen verdankt es Heinz Berggruen, der die Sammlung über fünf Jahrzehnte zusammentrug. Im Jahr 2000 konnten die Staatlichen Museen zu Berlin - Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SMB-SPK) die herausragende Sammlung, die u.a. Werke von Pablo Picasso, Paul Klee, Henri Matisse, Georges Braque und Henri Laurens umfasst, erwerben. Gegenstand des seit Februar 2015 vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste geförderten Projekts ist die Untersuchung der Provenienzen von 135 Kunstwerken, die vor 1945 entstanden sind und sich heute in öffentlichem Besitz befinden, darunter Gemälde, Papierarbeiten und Skulpturen.

Die bisher bekannten Provenienzen weisen Namen von Kunsthändlern und Sammlern auf, die nachweislich Opfer der NS-Verfolgung wurden, z.B. Paul Rosenberg, Alphonse Kann und Alfred Flechtheim. Um ausschließen zu können, dass der SMB-SPK-eigene Bestand NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut enthält, wird die Provenienz der Einzelwerke für den Zeitraum 1933-1945 systematisch untersucht.

Neben den Einzelwerken gilt es, auch die Geschichte der Sammlung in den Blick zu nehmen. Als ehemals private Sammlung hat sie im Vergleich zu Ankäufen öffentlicher Institutionen eine andere Entstehungsgeschichte und Dokumentationslage sowie andere Erwerbungsquellen. Das Projekt leistet damit einen Beitrag zur Grundlagenforschung, nicht zuletzt zu den Provenienzen von Werken der fünf Künstler Picasso, Klee, Braque, Matisse, Laurens und ihren Händlern und Sammlern sowie zur methodischen Herangehensweise an ehemalige Privatsammlungen.

Die genannten Künstler lebten und arbeiteten in verschiedenen Ländern Europas und waren bereits in den 1930er und 1940er Jahren auch in den USA populär. Ihre Händler agierten international und waren weit vernetzt. Diese Situation änderte sich mit der Machtergreifung und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges schlagartig. Während die bisherigen Kunstmarktstrukturen in Teilen zerstört wurden, entstanden neue Beziehungsgeflechte, die darauf zurückzuführen sind, dass vor und während des Krieges der Verkauf von zuvor enteigneten Werken auch als Maßnahme zur Beschaffung von Devisen für das NS-System diente. Die Recherchen beziehen sich demnach sowohl auf den verfolgungsbedingten Entzug von Privatbesitz durch die Nationalsozialisten im In- und Ausland, als auch auf die Verbindungen zum internationalen Kunstmarkt. Einen Schwerpunkt im vorliegenden Projekt bildet die Situation im besetzten Frankreich, konkret in Paris 1940-1944, da mehrere der Künstler, von denen Werke im Projekt auf ihre Provenienz hin zu untersuchen sind, unmittelbar vor und während der Besatzungszeit in Frankreich ansässig waren und hier auch viele ihrer Werke verkauften.

Im ersten Projektjahr konnte in Bezug auf vier Werke festgestellt werden, dass sie bei den jüdischen Sammlern Alphonse Kann bzw. Paul Rosenberg von Einsatzkräften der Deutschen Botschaft bzw. dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) in Frankreich, konkret in Paris und Bordeaux, beschlagnahmt wurden. Alle vier Werke wurden direkt nach dem Krieg als NS-Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer restituiert, sie gelangten erst danach in die Sammlung von Heinz Berggruen. Auch wenn in diesen Fällen wegen der durchgeführten Restitutionen kein weiterer Handlungsbedarf mehr besteht, lieferte die Recherche der genauen Umstände, die Dokumentation der Beschlagnahmeaktion durch NS-Institutionen und späteren Rückgabe durch die Alliierten bzw. die Commission Récupération Artistique (CRA) in Paris sowie die Auswertung der Markierungen, die während der Beschlagnahmen an den Kunstwerken angebracht wurden, wertvolle Informationen, die wiederum bei den weiteren Untersuchungen von Bedeutung sein und Rückschlüsse auf weitere Werke der Sammlung geben können.

Ein Teil des SPK-eigenen Bestandes im Museum Berggruen wurde auf dem US-Kunstmarkt gehandelt. Die nähere Untersuchung der Umstände, die Datierung und die Tiefenrecherche dieser Werke sind als ein weiterer Schwerpunkt des Projekts aus zwei Gründen relevant: Zum einen entschärft eine geschlossene US-Provenienz zwischen 1933-1945 den Verdacht auf verfolgungsbedingten Entzug. Zum anderen liefern diese Provenienzen spannende Einsichten in die Sammlungsgeschichte und die Popularisierung der Künstler Klee, Picasso, Braque und Matisse in den Vereinigten Staaten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Die im Projekt ermittelten Provenienzangaben werden in zukünftigen Publikationen, insbesondere in Neuauflagen des Bestandskatalogs des Museum Berggruen eingebunden. Zudem ist die Veröffentlichung über die digitale Sammlungspräsentation der Staatlichen Museen zu Berlin smb-digital geplant. Eine Kabinettausstellung im Museum Berggruen wird die Ergebnisse am Ende des Projekts präsentieren. Nach Abschluss des Projekts werden Werke, bei denen sich konkrete Hinweise auf einen NS-Verfolgungsbedingten Verlust ergeben haben, in die Lost Art-Datenbank eingestellt und auf der Webseite des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste Magdeburg veröffentlicht.

(c) Museum Berggruen

Ausstellungen:
Biografien der Bilder. Provenienzen im Museum Berggruen. Picasso - Klee - Braque - Matisse